"Wenn es schwierig wird, sind die Frauen sehr gefragt"

08.03.2021 - Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker sprach in einer Veranstaltung für Mitarbeiterinnnen und Mitarbeiter über den Weltfrauentag, Gleichstellung und Geschlechterrollen

Der Frauentag 2021 findet unter sehr veränderten Rahmenbedingungen statt. Wir begehen den Frauentag virtuell; die Medien berichten umfangreich über die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Frauen.

Ist jetzt überhaupt der richtige Zeitpunkt, sich grundsätzlich mit der Rolle der Frauen auseinanderzusetzen? Haben wir nicht genügend andere Probleme? Müssen wir nicht zu allererst die Pandemie bekämpfen und dann die Wirtschaft wiederaufbauen? 

Sind Frauenthemen also ein Luxusproblem, wenn es um Existenzen geht?  Ich antworte mit einem klaren Nein.


Zunächst:
Immer, wenn es schwierig wird und man rasch und unbürokratisch Hilfe braucht, sind die Frauen sehr gefragt. Ob in der Pflege, in der Gesundheitsversorgung, in der Kinderbetreuung, in den Supermärkten oder in den eigenen vier Wänden.  Frauen helfen zuerst und stellen die eigenen Interessen in den Hintergrund.  Die Frage der gerechten Bezahlung wird auf später verschoben; die Frage der ausreichenden Kinderbetreuung ebenso. Wenn Krise ist, kann man sich auf die Frauen verlassen! Nach der Krise wird das sehr oft als selbstverständlich betrachtet. Es würde mich positiv überraschen, wenn das nach der Pandemie anders wäre.

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin wirklich davon überzeugt, dass Frauen ihre Forderungen immer viel zu wenig konsequent vertreten und daher leicht auseinanderdividiert werden können. Ehrlich gesagt, brauchen wir nicht die Männer, um die Forderungen der Frauen zu unterstützen, sondern die Frauen müssen besser zusammenhalten. Ohne Frauen würde gar nichts in unserer Gesellschaft funktionieren und oft habe ich den Eindruck, dass das nie wirklich ausgespielt wird. Da würde die wahre Stärke der Frauen endlich sichtbar werden.

Frauen haben immer dann etwas erreicht, wenn sie um konkrete Rechte kämpfen konnten: Wahlrecht, Scheidungsrecht, Gleichbehandlung im öffentlichen Dienst.  Sie haben aber immer dann klein beigegeben, wenn es um tatsächliche Veränderungen von nicht zufriedenstellenden gesellschaftlichen Realitäten ging: ganztägige Schulen, Lohntransparenz, Stellenwert der frauenbezogenen Branchen, Ausstattung der Positionen von Frauen mit wirklicher Macht, Vernetzung der Frauen. Feminismus wird sehr oft als unsympathisch abgetan, schließlich gehe es ja um Menschenrechte im Allgemeinen. Und schon ist die Frauensache wieder nur ein Thema von vielen.

Daher mein Appell: 
Frauen müssen den Mut haben, ihre Forderungen – einschließlich ihrer Gehaltsforderungen in den Unternehmen – offen auszusprechen, sie müssen eine geschlossene Lobby für ganztägige Schulen und ein reformiertes Pflegesystem bilden und sie müssen die Männer in den familiären Arbeitsalltag einbauen. Die Qualifikation der Frauen zeigt eindrucksvoll, dass Frauen jede Funktion gleichwertig übernehmen können, aber die Teilzeitfalle hindert Frauen allzu oft bei Karriere- und Verdienstmöglichkeiten. Wir brauchen ein neues Bewusstsein für eine völlige Frauengleichstellung, die Frauen nicht mit unfairen Mitteln bewertet.

In der digitalen Welt schwinden die Vorteile der Männer zusehends. Dennoch müssen wir erst feststellen, wie sich die Heimarbeit auf die Geschlechterrollen letztlich auswirkt. Ich wage zu vermuten, dass das Homeoffice für Frauen wesentlich schwieriger ist als für Männer, weil die eigentliche Heimarbeit dann noch mehr auf Frauen übertragen wird. Außerdem geht es auch darum, Frauen im Beruf sichtbar zu machen, um sie aus dem häuslichen Alltag herauszuholen und hier nicht wieder Rückschritte zu machen.

Der Frauentag hat somit eine größere Berechtigung denn je, wenn man die Frauen gerade jetzt aus der Familienfalle holen will und das Selbstbewusstsein für den gleichberechtigten Stellenwert der Frauen in Beruf und Gesellschaft wieder gestärkt werden soll. Und Selbstbewusstsein entsteht eben durch Bewusstseinsbildung für Gleichberechtigung, die auf allen Ebenen und in allen gesellschaftlichen Gruppen selbstverständlich sein muss. Erst dadurch tritt eine Haltungsänderung gegenüber Frauen ein.

Im Rechnungshof haben die Frauen stark aufgeholt. Der Frauenanteil beträgt mit 156 Mitarbeiterinnen rund 51 Prozent, Tendenz steigend. Auch im Bereich der Führungsfunktionen auf Sektionsebene sind Frauen und Männer ausgewogen vertreten.

Im Prüfdienst hat sich im Rechnungshof die Zahl der Prüferinnen seit 1996 verdreifacht. Bei den Abteilungsleitungen erhöht sich die Zahl der weiblichen Führungskräfte beständig. Aber was können wir aus dieser positiven Entwicklung machen? Wo können wir uns noch verbessern?

  • Erstens geht es mir um den guten Zusammenhalt der Frauen im Rechnungshof. Aus meiner Erfahrung heraus zählen sie – ohne die vielen qualifizierten Männer diskriminieren zu wollen – zu den höchst qualifizierten Leistungsbringerinnen im Rechnungshof. Und im Rechnungshof haben Frauen wie Männer die Chance, ihre Work-Life-Balance gerade mit kleinen Kindern gut in Einklang zu bringen. Es freut mich sehr, dass auch die Männer im Rechnungshof sehr oft ihre familiäre Verantwortung mit übernehmen.

  • Zweitens haben wir als Rechnungshof die Chance, über unsere Prüftätigkeit zur gesellschaftlichen Bewusstseinsbildung in puncto Frauengleichstellung beizutragen, sei es im Einkommensbericht, bei den Genderaspekten im Steuer-recht, in der Arbeitsmarktpolitik oder im Bildungsbereich. Als Präsidentin des Rechnungshofes wünsche ich mir, dass sich der Rechnungshof als Impulsgeber für die Frauengleichstellung in allen Prüffeldern versteht und hier in einigen Fällen auch bestehende Ungerechtigkeiten etwa im Förderbereich aufzeigen kann.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine gute Zusammenarbeit im Dienste der Frauen, darf daran erinnern, dass die Kontrolle weiblich ist und danke dem gemischten Team Gleichbehandlung für die Initiative! 

Rede zum Frauentag 2021 im Rechnungshof