Kommunale Investitionsprogramme 2017 und 2020: Verwendung für dringendste Maßnahmen nicht sichergestellt

18.11.2022 – Rechnungshof pocht auf Transparenz und Gleichbehandlung bei der Vergabe der Mittel

Der Rechnungshof prüfte die Kommunalen Investitionsprogramme 2017 und 2020, die mit 175 Millionen Euro beziehungsweise mit einer Milliarde Euro an Bundesmitteln ausgestattet waren. Im heute veröffentlichten Bericht mahnen die Prüferinnen und Prüfer des Rechnungshofes die Gleichbehandlung der Gemeinden und Transparenz bei der Vergabe der Mittel ein. Bei den Förderkriterien fehlte eine inhaltliche Abstimmung mit bereits bestehenden Förderungen. Vorhandene strategische Konzepte wurden bei der Berechnung der Zuschüsse nicht berücksichtigt. Prüfungszeitraum waren die Jahre 2017 bis 2021.

Weniger strenge Anspruchskriterien

Der Rechnungshof beurteilt kritisch, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Kommunalen Investitionsprogramme 2017 und 2020 teilweise von bestehenden Fördersystemen abwichen. Vor allem bei Förderungen im Bereich der Siedlungswasserwirtschaft nach dem Umweltförderungsgesetz wurde das deutlich: Dafür galten strengere qualitative, ökologische und betriebswirtschaftliche Anforderungen. Bei den beiden Investitionsprogrammen waren weder qualitative Standards noch betriebswirtschaftliche oder ökologische Vorgaben vorgesehen. Es war daher nicht sichergestellt, dass die Zuschüsse für die ökologisch und volkswirtschaftlich dringendsten Maßnahmen eingesetzt wurden.

Der Rechnungshof empfiehlt dem Finanzministerium, neue Investitions- und Förderprogramme mit den bestehenden Förderstrukturen und -programmen abzustimmen. Dabei wäre zu gewährleisten, dass bestehende – oftmals zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bereits eingespielte – Förderstrukturen und -programme nicht durch weniger strenge Kriterien unterlaufen werden.

Bei den Förderkriterien unberücksichtigt blieben vorhandene strategische Konzepte, etwa das Österreichische Raumentwicklungskonzept (ÖREK). Dieses wurde von Bund, Ländern und Gemeinden erarbeitet, um Entwicklungsschwerpunkte wie Mobilität, Digitalisierung, Daseinsvorsorge und Energieversorgung zu koordinieren.

Gleichbehandlung der Antragsteller sicherstellen

Für das Kommunale Investitionsprogramm 2017 konnten Anträge nur dann positiv beurteilt werden, wenn die Unterlagen spätestens am 30. Juni 2018 bei der Abwicklungsstelle, der Buchhaltungsagentur, vollständig und mängelfrei eingebracht wurden. Trotzdem wurden 88 Anträge, die nach Ablauf dieser Frist einlangten, noch bearbeitet. Die beantragten Zweckzuschüsse wurden in Abstimmung mit dem Finanzministerium ausbezahlt, allerdings ohne die entsprechenden Rechtsgrundlagen zu ändern. Durch diese einzelfallbezogene Vorgehensweise hatten nicht alle Gemeinden denselben Informationsstand. Eine Gleichbehandlung war nicht sichergestellt.

Der Rechnungshof empfiehlt dem Finanzministerium und der Buchhaltungsagentur, bei der Abwicklung von Förderungen oder Zweckzuschüssen von den festgelegten Anspruchsvoraussetzungen nicht abzuweichen. Sollten Anpassungen unumgänglich sein, wären die rechtlichen Grundlagen zeitgerecht anzupassen, um eine Gleichbehandlung aller Antragsteller zu gewährleisten.

Mangelnde Transparenz

Das Finanzministerium legte fest: Fehlen Nachweise für ein Projekt oder werden Zuschüsse widmungswidrig verwendet, so können diese für ein anderes geeignetes und bereits beantragtes Projekt der Gemeinde verwendet werden. Allerdings: Diese Möglichkeit war in den Richtlinien zu den Kommunalen Investitionsgesetzen nicht geregelt und wurde den Gemeinden auch nicht anderweitig zur Kenntnis gebracht. Benachteiligt waren daher jene Gemeinden, die den gesamten Zweckzuschuss für ein einziges Projekt in Anspruch nahmen. In diesem Fall war eine Übertragung nicht möglich. Die Zuschüsse mussten zurückbezahlt werden. Die mangelnde Transparenz bei Änderung ursprünglich verbindlich festgelegter Vorgehensweisen stand im Widerspruch zu einer professionellen Programmabwicklung.
Der Rechnungshof empfiehlt, alle für die Inanspruchnahme der Mittel wesentlichen Voraussetzungen rechtzeitig – vor Beginn der Antragstellung – in allgemein zugänglichen Richtlinien festzulegen. So soll sichergestellt werden, dass alle potenziellen Antragsteller über denselben Informationsstand verfügen.

Kommunales Investitionsprogramm 2017

Ab 1. Juli 2017 stellte der Bund Zweckzuschüsse von 175 Millionen Euro zur Verfügung. Das entsprach 6,2 Prozent der Gesamtinvestitionen der Gemeinden im Jahr 2017, die bei 2,815 Milliarden Euro lagen. Diese waren für zusätzliche Bauinvestitionen gedacht, mit dem Ziel, die Infrastruktur von Gemeinden zu modernisieren. Zusätzliche Investitionen von zumindest 760 Millionen Euro sollten damit ausgelöst und bis zu 8.460 Arbeitsplätze geschaffen werden. Allerdings: Angesichts der Größenordnung war nicht davon auszugehen, dass ein nennenswerter zusätzlicher Konjunkturimpuls geschafft werden konnte.
Knapp die Hälfte der gesamten Zweckzuschüsse floss in den Bereich Errichtung, Erweiterung und Sanierung von Kindertageseinrichtungen und Schulen. Jeweils rund 16 Prozent wurden für die Gebäudesanierung sowie für die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung aufgewandt.

Kommunales Investitionsprogramm 2020

Eine Milliarde Euro an Zweckzuschüssen sah das Kommunale Investitionsgesetz 2020 ab 1. Juli 2020 vor. Damit sollten die wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie abgefedert werden. Gemeinden konnten Zweckzuschüsse für alle Investitionen beantragen, sofern es sich nicht etwa um Vorräte oder Verbrauchsmaterialien handelte.

Rund 28 Prozent der Zweckzuschüsse entfielen auf den Bereich Kindertageseinrichtungen und Schulen, gefolgt von der neu hinzugekommenen Kategorie Sanierung von Gemeindestraßen mit 18 Prozent und Wasserversorgung und Abwasserentsorgung mit rund neun Prozent (Stand Dezember 2021).

Die Zweckzuschüsse beider Programme waren – von wenigen Ausnahmen abgesehen – für Bauinvestitionen zu verwenden. Vor allem die Investitionen ab 2020 fielen in eine Phase hoher Auslastung im Baugewerbe. Die Konsequenz: Verzögerungen – die Fristen wurden verlängert. Dies geschah teils ohne die erforderliche Anpassung der gesetzlichen Regelung.


Presseinformation: Kommunale Investitionsprogramme 2017 und 2020


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Umfang: 
102 Seiten

Bericht: Kommunale Investitionsprogramme 2017 und 2020

Der Rechnungshof überprüfte von März bis September 2021 die Kommunalen Investitionsprogramme 2017 und 2020 im Bundesministerium für Finanzen, in der Buchhaltungsagentur des Bundes und in der Stadt Wien. Im Rahmen dieser beiden Investitionsprogramme stellte der Bund Gemeinden und Gemeindeverbänden Zweckzuschüsse für die Umsetzung von Infrastrukturprojekten von insgesamt mehr als 1 Mrd. EUR zur Verfügung. Prüfungsziele waren die Analyse und Beurteilung der Entstehung, Ziele und Rechtsgrundlagen der Kommunalen Investitionsprogramme, der Systematik der Verteilung, der getätigten Auszahlungen sowie der Verteilungswirkungen. Der Bericht umfasst den Zeitraum 2017 bis 2021.

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