Geschichte des Rechnungshofes


Die Finanzkontrolle in Österreich hat eine lange Tradition. Die Vorläuferin des Rechnungshofes, die "Rechen-Cammer", wurde im Jahr 1761 von Maria Theresia gegründet, um "alle im Finanzwesen, insbesondere aber bei den Ausgaben wahrgenommenen Gebrechen aufzuzeigen". Heute hat der Rechnungshof Österreich vielfältige Aufgaben zu bewältigen und internationale Verpflichtungen zu erfüllen. Hier finden Sie außerdem eine Liste der Rechnungshof-Präsidenten ab 1945.


1805
Mit der Errichtung des "General-Rechnungs-Direktoriums" erfolgt eine Neuorganisation der Finanzkontrolle. Diese neue, dem Kaiser unmittelbar unterstellte Behörde führt selbst keine Kontrolle bei den Verwaltungsstellen durch, sondern übt diese indirekt durch die Aufsicht über die Buchhaltungen aus.

 

1854
Das General-Rechnungs-Direktorium wird in die "KK Oberste Rechnungs-Kontroll-Behörde" umgewandelt. Die neue Behörde soll "strenge Ordnung und Rechtigkeit im gesamten Staatsrechnungswesen sichern und auch eine genaue Kontrolle über die Verwaltung des Staatsvermögens führen." Sie ist wieder unmittelbar dem Kaiser unterstellt und genießt den gleichen Rang wie die Ministerien.

 

1866
Mit dem Obersten Rechnungshof wird eine neue Kontrollbehörde geschaffen. Die unmittelbare Unterordnung unter den Kaiser und die Gleichstellung mit den Ministerien bleibt aufrecht. Hingegen wurden die Buchhaltungen den Ministerien einverleibt. Der Einfluss der Obersten Rechnungskontrollbehörde auf die Buchhaltungen bleibt aber insofern gewahrt, als sie für die Einhaltung eines zweckmäßigen, die Prüfung und Kontrolle erleichternden Verrechnungsverfahrens Sorge zu tragen hat. Eine wesentliche Erweiterung und Vertiefung erfährt der Inhalt der Kontrollkompetenz. Die Kontrolle hat sich "nicht bloß auf die ziffernmäßige Richtigstellung der einlagenden Rechnungen zu beschränken, sondern ihr Hauptaugenmerk auf die Prüfung der Gebarung mit dem Staatsvermögen zu richten".

 

1918
Die neu entstandene Republik übernimmt den Obersten Rechnungshof aus der Monarchie. Er gilt als dem Staatsrat unterstellt. 

 

1919
Durch das Gesetz über den Staatsrechnungshof wird eine Neuregelung getroffen. Der Rechnungshof wird unmittelbar und ausschließlich der Nationalversammlung unterstellt. Wirkungskreis und Inhalt der Finanzkontrolle erfahren eine Erweiterung. Der Rechnungshof ist nun zur Überprüfung der Gebarung der gesamten Staatswirtschaft einschließlich der Staatsschuld befugt. Auch gewisse Stiftungen, Fonds und Anstalten sowie Rechtsträger, an denen der Staat finanziell beteiligt ist, fallen unter die Prüfungskompetenzen. Der Rechnungshof hat zu prüfen, ob die Gebarung den Gesetzen und sonstigen Vorschriften entspricht, sowie – und dies ist neu – ob sie ökonomisch und zweckmäßig ist.

 

1920
Das Bundes-Verfassungsgesetz vom 1. Oktober 1920 widmet der Rechnungskontrolle ein eigenes Hauptstück und sichert sie darin in ihren wesentlichen Grundzügen verfassungsrechtlich ab. Der Rechnungshof ist dem Nationalrat (1. Kammer des Parlaments) unmittelbar unterstellt. Der Präsident des Rechnungshofes wird auf Vorschlag des Hauptausschusses vom Nationalrat gewählt und kann durch Beschluss des Nationalrates abberufen werden. Dem Landesverfassungsgesetzgeber wird freigestellt, dem Rechnungshof auch im Bereich des Landes jene Kontrollbefugnisse zu übertragen, die ihm auf Bundesebene zustehen (fakultative Zuständigkeit). 

1925
Mit gewissen Ausnahmen tritt anstelle der fakultativen eine subsidiäre Zuständigkeit der Prüfung der Gebarung der Länder. Der Verfassungsgerichtshof wird dazu berufen, Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Rechnungshof und der Bundesregierung oder einem Bundesminister zu schlichten. 


1929
Der Rechnungshof hat die Gebarung der Länder (inkl. Wien) sowie aller Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern zu prüfen (obligatorische Zuständigkeit).


1934
Anpassungen an die ständisch-autoritäre Verfassung.

1938
Zwei Tage nach Hitlers „Anschluß“-Rede auf dem Wiener Heldenplatz wurden am 17. März 1938 die Beamten des Rechnungshofes auf Hitler vereidigt.

1939
Der österreichische Rechnungshof in Wien, seit 1934 seiner Unabhängigkeit beraubt und politisch mit dem autoritären Ständestaat unter Dollfuß und Schuschnigg gleichgeschaltet, war binnen eines Jahres nunmehr administrativ und politisch in das NS-System integriert worden und zu einer Außenstelle des Reichsrechnungshofes in Berlin-Potsdam mutiert. 

 

1945
In Wien arbeitete die Außenabteilung bis zum Einmarsch der Roten Armee Mitte April 1945. Nach der Wiedererrichtung der Republik Österreich am 27. April 1945 gehörte der Rechnungshof zu den ersten Institutionen des neuen Staates. Durch die „Vorläufige Verfassung“ vom 1. Mai 1945 wurde der Staatsrechnungshof in Wien „zur Prüfung der Gebarung des Staates, der Länder, der Gemeinden mit über 20.000 Einwohnerinnen/Einwohnern und ihrer Betriebe und Anstalten sowie anderer Rechtsträger“ neu konstituiert.

Unter der Leitung von Ministerialrat Josef Otto Krammer – einer der Beamten, die kurz nach dem „Anschluß“ 1938 aufgrund „vaterländischer Gesinnung“ in den Ruhestand versetzt worden waren – begannen die Aufbauarbeiten. Im Zuge der Entnazifizierung wurden 16 Beamte des Rechnungshofes nicht weiterbeschäftigt.


1948
Das fünfte Hauptstück des Bundes-Verfassungsgesetzes erhält eine neue Fassung und in Ausführung dazu wird ein neues Rechnungshofgesetz erlassen. 


1965
Der V. Kongress der Obersten Rechnungskontrollbehörden in Jerusalem beschließt, dass der österreichische Rechnungshof ständig das "internationale Sekretariat" übernimmt. Im Jahr 1968 beschließt der VI. Kongress in Tokio die Satzungen der INTOSAI und richtet damit die Organisation und das Generalsekretariat auch formell ein. 


1975
Der Präsident und der Vizepräsident des Rechnungshofes werden berechtigt, an den Verhandlungen über die Berichte des Rechnungshofes, über die Bundesrechnungsabschlüsse und die den Rechnungshof betreffenden Kapitel des Entwurfes des Bundesfinanzgesetzes im Nationalrates sowie in seinen Ausschüssen (Unterausschüssen) teilzunehmen. Der Rechnungshof wird verpflichtet, besondere Akte der Gebarungsprüfung nicht nur auf begründetes Ersuchen der Bundesregierung oder eines Bundesministers, sondern auch auf Verlangen einer qualifizierten Minderheit von Mitgliedern des Nationalrates, durchzuführen.  

1978
Die Zuständigkeit des Rechnungshofes zur Prüfung von Unternehmungen wird vereinheitlicht. 


1986
Für den Präsidenten und Vizepräsidenten des Rechnungshofes wird eine zwölfjährige Funktionsperiode eingeführt. Das Bundeshaushaltsgesetz wird beschlossen. 


1988
Das Berichtsverfahren bei den Ländern und Gemeinden wird neu geregelt und der Rechtslage im Bundesbereich angeglichen. Im Bereich der öffentlichen Wirtschaft wird die Einkommenserhebung verfügt. Der Vizepräsident kann mit der Besorgung bestimmter Geschäfte betraut werden.  

1993
Die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes über die Zuständigkeit des Rechnungshofes können von den ordentlichen Gerichten exekutiert werden. Im Nationalrat wird ein ständiger Unterausschuss des Rechnungshofausschusses eingerichtet. 

1994
Die Vertretung des Präsidenten wird neu geregelt. Die Funktion des Vizepräsidenten wird abgeschafft. Der Präsident wird im Fall seiner Verhinderung vom rangältesten Beamten des Rechnungshofes vertreten. Außerdem wird dem Rechnungshof mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1997 die Überprüfung der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Gebarung der gesetzlichen beruflichen Vertretungen übertragen. 

1997
Das Bundesverfassungsgesetz zur Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre (Bezügebegrenzungsgesetz) legt Obergrenzen für bestimmte Bezüge fest und normiert neue Aufgaben für den Rechnungshof. 

2003
Unter der Leitung von Rechnungshofpräsidenten Franz Fiedler hat der Österreich-Konvent über Vorschläge für eine grundlegende Staats- und Verfassungsreform beraten. Er wurde am 2. Mai 2003 durch ein Gründungskomitee eingerichtet, das die Aufgaben und die Zusammensetzung des Konvents festgelegt hat. Anlässlich der letzten Plenarsitzung des Österreich-Konvents am 28. Jänner 2005 wurden die Vorschläge präsentiert. 

Der Österreich-Konvent sieht für den Rechnungshof neue Kompetenzen wie die Ausweitung der Prüfzuständigkeit auf Gemeinden unter 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, für Aktiengesellschaften mit einer Beteiligung der öffentlichen Hand von mindestens 25 Prozent und die Prüfung von Direktförderungen der EU vor. Im Nationalrat wurde ein besonderer Ausschuss zur Vorberatung des Berichts des Österreich-Konvents eingerichtet.  


2006
Der erste MBA-Lehrgang Public Auditing der Executive Academy der Wirtschaftsuniversität Wien startet. Der Rechnungshof Österreich kooperiert, indem sowohl Teilnehmende als auch Vortragende in diesem MBA-Programm mitwirken. 


2008
Im Rahmen des Regierungsprogrammes der XXIV. Gesetzgebungsperiode wurde eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Konsolidierungsmaßnahmen eingesetzt. Als Experte wurde Rechnungshofpräsident Josef Moser neben den Leitern der Wirtschaftsforschungsinstitute WIFO und IHS hinzugezogen.


2011
Der Rechnungshof Österreich kann seit 1. Jänner 2011 Gemeinden ab 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern überprüfen. Bisher lag die Grenze bei 20.000. 


2012
Mit dem Österreichischen Stabilitätspakt 2012 wird ein Schlichtungsgremium eingerichtet, das den Präsidenten des Rechnungshofes um ein Gutachten ersuchen kann, ob und in welcher Höhe vom Bund, vom Land oder von einer Gemeinde der vereinbarte Stabilitätsbeitrag verfehlt wurde. 

Im Rahmen des „Transparenzpakets“ wurde im Jahr 2012 auch das Parteiengesetz 2012 beschlossen. Auf die Parteien kommen damit neue Offenlegungspflichten im Sinne verstärkter Transparenz zu. Dem Rechnungshof wurden mit dem Parteiengesetz zahlreiche zusätzliche Aufgaben übertragen.


2014 
Der Bauherrnausschuss, das oberste Kontrollgremium zur Sanierung des Parlamentsgebäudes, ist erstmals zusammengetreten. Ihm gehört neben den Mitgliedern der Präsidialkonferenz auf ausdrücklichen Wunsch des Parlaments auch der Rechnungshofpräsident an.


2016
Margit Kraker wird als erste Frau Präsidentin des Rechnungshofes Österreich.


2017
Die Präsidentin des Rechnungshofes ruft Bürgerinnen und Bürger dazu auf, ihre Prüfungsanregungen an den Rechnungshof zu richten. Mit einer zeitgemäßen Kommunikationsstrategie – dazu gehören auch die Sozialen Netzwerke sowie Videos – wird ein breites Publikum adressiert. Mit dem dreijährigen Prüfschwerpunkt „Bürgernutzen“ werden Kosten und Nutzen öffentlicher Leistungen in den Fokus gerückt. 

 

2018
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 11. Dezember 2018 entschieden, dass der Rechnungshof seit 1. Juni 2017 nicht mehr für den Flughafen Wien prüfungszuständig ist. Der Verfassungsgerichtshof stellt die "tatsächliche Beherrschung" auf die Mehrheitsverhältnisse im Aufsichtsrat und auf das Präsenzquorum in der Hauptversammlung ab. 


2019
Die ersten Studierenden haben den Universitätslehrgang „Public Auditing“ an der WU Executive Academy absolviert. Die gemeinsame Grundausbildung der Landesrechnungshöfe, der Stadtrechnungshöfe sowie des Rechnungshofes Österreich leistet einen wesentlichen Beitrag zur Vernetzung der Finanzkontrolle in Österreich. 

2022

Am 7. Juli 2022 beschloss der Nationalrat im Zuge der Novellierung des Parteiengesetzes, erweiterte Prüfungskompetenzen des Rechnungshofes. Sollte der Rechnungshof anlässlich seiner Kontrolle konkrete Anhaltspunkte für Unvollständigkeiten und Unrichtigkeiten eines Rechenschafts- bzw. Wahlwerbungsberichts einer politischen Partei hegen, ist er mit Erlass der Novelle dazu befugt, direkt in die Belege und Unterlagen der Partei einzusehen. Ferner wurden die erforderlichen Quoren zur Wahl bzw. Abwahl des*der Präsidenten*Präsidentin von einer absoluten Mehrheit auf eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat erhöht.