Härtefallfonds: Komplexes und schwer verständliches Berechnungsmodell

20.08.2021 – Rechnungshof sieht hohen Grad an fachlicher Improvisation bei der Konzeption der Förderung

Mit dem Härtefallfonds sollten die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Ein-Personen-Unternehmen und Familienbetriebe abgefedert werden. In seinem heute veröffentlichten Bericht „Härtefallfonds – Förderabwicklung“ beurteilt der Rechnungshof die Abwicklung der Förderung sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen, die – unter beträchtlichem Zeitdruck – geschaffen wurden. Die Prüferinnen und Prüfer zeigen vielfältige Probleme bei der Konzeption der Härtefallfondsförderung auf – insbesondere bei der Definition der Förderkriterien sowie bei der Berechnung der Förderhöhe. Das Ziel, über sämtliche Branchen hinweg eine breite finanzielle Unterstützung zu gewähren, wurde in hohem Ausmaß erfüllt.

Fachliches Neuland für das Wirtschaftsministerium

Die Mittel für den Härtefallfonds stammen aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds. Dieser wird vom Finanzminister verwaltet. Das Wirtschaftsministerium ist für die operative Umsetzung des Härtefallfonds zuständig. Mit der – unentgeltlichen – Abwicklung der Förderanträge wurde die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) betraut.

Der Härtefallfonds wurde für Unternehmen konzipiert, die weder von Garantien noch von Kurzarbeit begünstigt waren. Die Kosten des Lebensunterhalts der Unternehmerinnen und Unternehmer sollten damit abgefedert werden. Im Gegensatz zu einer Wirtschaftsförderung, die ein bestimmtes wirtschaftspolitisch erwünschtes Verhalten fördern sollte, hat der Härtefallfonds eine deutliche soziale Zielsetzung. Das Wirtschaftsministerium musste daher bei der Konzeption der Förderrichtlinie fachliches Neuland beschreiten. Daraus ergaben sich: Ein hoher Grad an fachlicher Improvisation sowie vielfältige Probleme bei der Konzeption der Förderung.

Förderrichtlinien änderten sich mehrfach

Binnen sieben Wochen traten für Phase 2 (ab Mitte April 2020) drei verschiedene Versionen der Förderrichtlinie in Kraft. Darin waren insbesondere der Kreis der Förderberechtigten, Fördervoraussetzungen, Förderhöhe und das Verfahren der Förderabwicklung festgelegt. Die Antragstellerinnen und Antragsteller mussten sich in kurzer Zeit mit mehreren Versionen der Richtlinie befassen. Diese brachten wesentliche Änderungen in den Fördervoraussetzungen mit sich. Auch für die mit der Abwicklung betraute WKÖ bedeuteten die Förderrichtlinienänderungen und deren laufende Neuinterpretation einen erheblichen Mehraufwand.

Das Finanzministerium und das Wirtschaftsministerium hatten den Abwicklungs- und Kontrollaufwand nicht abgeschätzt. Doch: Die Kostenübernahme durch die WKÖ konnte die beiden Ministerien nicht von einer Kostenabschätzung zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit entbinden. Außerdem hält der Rechnungshof kritisch fest, dass zu Beginn der Phase 2 kein Mindestförderbetrag festgelegt wurde, um sehr geringe Auszahlungsbeträge zu vermeiden. Bereits ausbezahlte Förderungen aus der Phase 1 wurden in der Phase 2 gegengerechnet. Dadurch kam es bis Ende April 2020 mitunter zu geringen Auszahlungsbeträgen, teils deutlich unter 100 Euro.

Der Rechnungshof empfiehlt: Mehrfache Änderungen von Förderrichtlinien in dichter zeitlicher Abfolge und deren rückwirkende Anwendung möglichst zu vermeiden. In diesem Zusammenhang verweisen die Prüferinnen und Prüfer auf den damit verbundenen Aufwand bei der Abwicklung, die gebotene Transparenz und Rechtssicherheit.

Berechnungsmodell komplex und schwer verständlich

In der Phase 2 entschied sich der Finanzminister im Einvernehmen mit der Wirtschaftsministerin und dem Vizekanzler für ein Modell zum Ausgleich des individuellen wirtschaftlichen Schadens durch den Verdienstentfall von Unternehmerinnen und Unternehmern. Dies führte zu einem komplexen und schwer verständlichen Modell zur Berechnung der Förderhöhe. Für die Antragstellerinnen und Antragsteller erhöhten sich die Anforderungen und Vorarbeiten zum Ausfüllen des Online-Antragsformulars erheblich.
Außerdem macht der Rechnungshof auf die verbesserungswürdige Nutzerfreundlichkeit aufmerksam: Bereits eingetragene Daten konnten nicht zwischengespeichert werden und der Zugang zum Online-Antragsformular war zeitlich beschränkt. Die Prüferinnen und Prüfer empfahlen zudem, als weitere Alternative zur Identifizierung bei der Antragstellung mittels Lichtbildausweis auch die Handy-Signatur in Erwägung zu ziehen.

Förderungen branchenmäßig breit verteilt und rasch ausbezahlt

209.000 Fördernehmerinnen und Fördernehmer stellten rund 805.000 Förderanträge. An sie wurden insgesamt rund  895,91 Millionen Euro an Härtefallfondsförderung ausbezahlt. Die Zahlen beziehen sich auf den Prüfungszeitraum März bis Dezember 2020. In Phase 1 (März bis Mitte April 2020) wurden zwei Prozent der Anträge abgelehnt. In Phase 2 – mit Stichtag 31. Dezember 2020 – lag die Ablehnungsquote bei 14 Prozent.

Rund 72 Prozent der Förderungen gingen an Unternehmerinnen und Unternehmer aus den Branchen Gewerbe und Handwerk, Tourismus/Gastronomie, Sonstige, Soziales/Gesundheit/Pflege sowie Handel. Darüber hinaus profitierten Unternehmerinnen und Unternehmer aus weiteren Branchen, etwa Consulting, Freizeit und Sport sowie Transport.

Die durchschnittliche Erledigungsdauer der Phase 1 lag bei knapp einem Tag. In der Phase 2 zahlte die WKÖ zum 31. Dezember 2020 die Förderung an 95 Prozent der Fördernehmerinnen und Fördernehmer innerhalb von 19 Tagen nach ihrer Antragstellung aus.


Presseinformation: Härtefallfonds – Förderabwicklung


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4,793.0 KB
Umfang: 
138 Seiten

Bericht: Härtefallfonds – Förderabwicklung

Der Rechnungshof überprüfte von Juni 2020 bis März 2021 den Härtefallfonds im Bundesministerium für Finanzen und im Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort sowie in der Wirtschaftskammer Österreich, die diese Förderung ab wickelte. Prüfungsziel war die Beurteilung der rechtlichen Rahmenbedingungen und des Förderdesigns, der Förderabwicklung, der Qualität der öffentlichen Leistung unter dem Aspekt des Bürgernutzens sowie der Bereitstellung der finanziellen Mittel. Der überprüfte Zeitraum erstreckte sich von März bis Dezember 2020.

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