Hohes Risiko von Steuerausfällen bei internationalen digitalen Dienstleistungen an Konsumenten

23.07.2021 – Finanzministerium soll angemessene Kontrolldichte sicherstellen

Unternehmen, die vom Ausland aus digitale Dienstleistungen in Österreich erbringen, können mit einer hohen Wahrscheinlichkeit damit rechnen, von der österreichischen Steuerverwaltung nicht geprüft zu werden. Angesichts der zunehmenden Internationalisierung und Digitalisierung von Dienstleistungen wurde das Finanzministerium seiner abgabenrechtlichen Verantwortung zur Sicherung der Einnahmen bisher nicht ausreichend gerecht. Das zeigt der Rechnungshof in seinem heute veröffentlichten Bericht „Umsatzsteuer bei internationalen digitalen B2C-Dienstleistungen“ auf.

Der Rechnungshof überprüfte im Finanzministerium die Umsatzsteuer bei internationalen digitalen Dienstleistungen, die von Unternehmen an Konsumenten – business to consumer (B2C) – erbracht werden. Dabei handelt es sich um grenzüberschreitend ausgeführte Dienstleistungen im Bereich Telekommunikation, Rundfunk und Fernsehen. Auch elektronische Dienste wie Apps, Software, Spiele, Musik, Filme, Bücher und Online-Zeitungen zählen dazu. Prüfzeitraum waren die Jahre 2015 bis 2019.

MOSS-System beruht auf Freiwilligkeit

Grundsätzlich haben ausländische Unternehmen, die digitale B2C-Dienstleistungen in Österreich erbringen, die Verpflichtung, sich in Österreich zu registrieren, Umsatzsteuererklärungen einzureichen und die Steuer zu entrichten.

Zur Vereinfachung wurde das Mini-One-Stop-Shop-System (MOSS-System) geschaffen. Unternehmen, die digitale B2C-Dienstleistungen in EU-Mitgliedstaaten erbringen, in denen sie nicht ansässig sind, können über diese zentrale elektronische Anlaufstelle für Steuererklärungen und Steuerzahlungen ihren umsatzsteuerlichen Verpflichtungen nachkommen. Die Teilnahme am MOSS-System ist freiwillig.

Der Staat, in dem sich ein ausländisches Unternehmen im MOSS-System registriert hat („Registrierungsstaat“), hat die Funktion als „Postkasten und Zahlstelle“. Er leitet geleistete Zahlungen an den jeweiligen EU-Mitgliedstaat des Verbrauchs („Verbraucherstaat“) weiter. So gab Österreich im Jahr 2019 als „Registrierungsstaat“ rund 17 Millionen Euro an andere EU-Mitgliedstaaten weiter und erhielt als „Verbraucherstaat“ rund 145 Millionen Euro.

Prüfungen erfolgten nur im Einzelfall

Im Zuge seiner Prüfung identifizierte der Rechnungshof zahlreiche Risiken im Zusammenhang mit dem MOSS-System. Ein besonderes Risiko besteht etwa bei Ausscheiden eines Unternehmens aus dem MOSS-System – vor allen dann, wenn dieses Unternehmen weiterhin Umsätze tätigt, jedoch in keinem EU-Mitgliedstaat versteuert. Über das Ausscheiden erhielt ein Staat, in dem die jeweilige Dienstleistung in Anspruch genommen wurde, keine automatisierte Information. Prüfungen erfolgten in diesem Zusammenhang nur im Einzelfall mittels aufwendiger Recherchen. Nach Angaben des für ausländische Unternehmen zuständigen Finanzamts fand eine gezielte Risikoanalyse solcher Fälle aufgrund fehlender Personalressourcen nicht statt.

Überblick fehlt

Obwohl E-Commerce ein stark wachsender Wirtschaftszweig ist, war dem Finanzministerium nicht bekannt, in welchem (geschätzten) Ausmaß internationale digitale B2C-Dienstleistungen in Österreich erbracht wurden und wie hoch mögliche Einnahmenausfälle an Umsatzsteuer waren. Es konnte das Abgabenausfallsrisiko nicht bewerten und folglich auch Ressourcen nicht zielgerichtet einsetzen.

Unrechtmäßiger Wettbewerbsvorteil

Die Finanzverwaltung setzte – mit Ausnahme von Einzelfällen – keine Maßnahmen, um steuerlich nicht erfasste Unternehmen zu identifizieren. Somit konnte sie auch nicht sicherstellen, dass alle in Österreich ausgeführten digitalen B2C-Dienstleistungen steuerlich erfasst wurden. Ausländische Unternehmen, die digitale B2C-Dienstleistungen in Österreich erbrachten und sich nicht an ihre steuerlichen Verpflichtungen hielten, konnten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit damit rechnen, von der Finanzverwaltung nicht geprüft zu werden. Sie hatten somit einen unrechtmäßig erwirkten Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz.

Wie auch andere Rechnungshöfe festhielten, wird das Risiko ungewollter Steuerausfälle mit der Erweiterung des MOSS-Systems auf den grenzüberschreitenden Versandhandel und andere grenzüberschreitende Dienstleistungen steigen.

Angaben blieben ungeprüft

In ihrem Bericht weisen die Prüferinnen und Prüfer zudem auf die fehlenden Ressourcen in den Finanzämtern hin. Wie die Erhebungen des Rechnungshofes zeigen, blieben sowohl Daten als auch Umsätze im MOSS-System nahezu ungeprüft. Dadurch war die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht gewährleistet. Der Rechnungshof weist kritisch auf den Rückgang der Personalressourcen zur Bearbeitung dieser Fälle hin.

Der Rechnungshof empfiehlt: Im Sinne der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Sicherung der österreichischen Steueransprüche sollte eine angemessene Kontrolldichte hinsichtlich der im MOSS-System erklärten Umsätze sichergestellt werden.


Presseinformation: Umsatzsteuer bei internationalen digitalen B2C-Dienstleistungen


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Umfang: 
104 Seiten

Bericht: Umsatzsteuer bei internationalen digitalen B2C-Dienstleistungen

Der Rechnungshof überprüfte von Jänner bis Juni 2020 im Bundesministerium für Finanzen die Umsatzsteuer bei internationalen digitalen Dienstleistungen, die von Unternehmen an Konsumenten – business to consumer (B2C) – erbracht werden.

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