8-Punkte-Plan für eine digitale Schule: Auswirkungen auf digitale Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler unklar

11. Oktober 2024 – Indikatoren fehlten, um Erfolg der Maßnahmen zu überprüfen

Das Bildungsministerium startete im Juni 2020, zum Ende des ersten COVID-19-Lockdowns, den 8-Punkte-Plan für eine digitale Schule. Darin war vorgesehen, Lern- und Kommunikationssysteme zu vereinheitlichen und zu reduzieren, digitale Endgeräte wie Notebooks oder Tablets sowohl für Schülerinnen und Schüler als auch Lehrpersonen zu beschaffen und die schulische Basis-IT-Infrastruktur auszubauen. Das Bildungsministerium zahlte dafür von Jänner 2021 bis August 2023 140,88 Millionen Euro aus. Inwieweit der Plan aufging, prüfte der Rechnungshof in seinem heute veröffentlichten Bericht „8-Punkte-Plan für eine digitale Schule“. Unklar ist, ob sich nun die digitalen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler erhöht haben. Und: Das Ministerium hatte das Portal „Digitale Schule“ beauftragt. Kostenpunkt bis August 2023: 12,26 Millionen Euro. Mangels Zugriffe wurde es Ende Juni 2023 schließlich eingestellt. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Schuljahre 2020/21 bis 2022/23. Neben dem Bildungsministerium prüfte der Rechnungshof exemplarisch die Bildungsdirektion für Kärnten und die Bildungsdirektion für Niederösterreich.

Digitale Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler nicht gemessen

Für die Projekte des 8-Punkte-Plans wurden keine outcome-orientierten Ziele vorgegeben, wie etwa die messbare Erhöhung der digitalen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler. Mangels Messung ist unklar, ob die Ausgaben des Bildungsministeriums ihre Wirkung entsprechend entfaltet haben. Lediglich der Ausstattungsgrad der Sekundarstufe I mit digitalen Endgeräten wurde erfasst. So nahmen 95 Prozent der ausstattungsberechtigten Schulen an der Geräteinitiative teil

Die Auswirkungen des 8-Punkte-Plans auf die digitalen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler sollten regelmäßig analysiert werden. Das Bildungsministerium setzte mittlerweile dazu eine Empfehlung des Rechnungshofes aus dem 2018 veröffentlichten Bericht „IT-Betreuung an Schulen“ um und nahm 2023 erstmals an der International Computer and Information Literacy Study (ICILS) teil. Die Studie vergleicht digitale Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern international.

Kosten vor allem für digitale Endgeräte

Von Jänner 2021 bis August 2023 zahlte das Bildungsministerium 140,88 Millionen Euro im Zusammenhang mit dem 8-Punkte-Plan aus. Der größte Teil der Kosten (119,67 Millionen Euro) entfiel auf die digitalen Endgeräte. Ab der fünften Schulstufe ist im Rahmen der Geräteinitiative vorgesehen, dass Schülerinnen und Schüler entsprechend ausgestattet werden.
Das Bildungsministerium legte keine Standards dazu fest, wie der pädagogische Einsatz der digitalen Endgeräte aussehen sollte. Daher fand der digitale Unterricht sehr unterschiedlich statt: An manchen Schulen war er bereits fächerübergreifend pädagogisch gut etabliert – an anderen beschränkte er sich nach wie vor hauptsächlich auf den IT-Unterricht.

37.000 Schülerinnen und Schüler ohne digitales Endgerät

Im Rahmen der Initiative konnten Schulen aus sechs verschiedenen Gerätetypen wählen. Wegen Lieferproblemen eines bestimmten Gerätetyps erhielten rund 37.000 Schülerinnen und Schüler im Schuljahr 2021/22 kein Gerät

Der Rechnungshof weist auf den logistischen Aufwand bei der Verteilung von mehreren Gerätetypen hin und empfiehlt zu evaluieren, ob sechs Gerätetypen notwendig sind. Denn ein Schulwechsel oder eine Klassenwiederholung führte in vielen Fällen zu einem Gerätetausch, und das wiederum zu einem erhöhten administrativen Aufwand.

Für Lehrerinnen und Lehrer beschaffte Geräte teilweise nicht genutzt

Alle teilnehmenden Schulen erhielten auch sogenannte Klassengeräte – insgesamt waren es 40.914 –, die den Lehrerinnen und Lehrern für den Unterricht zur Verfügung gestellt wurden. Im Rahmen der Rechnungshofprüfung veranlasste die Bildungsdirektion für Kärnten, dass erhoben wird, ob die Klassengeräte in Bundesschulen erstkonfiguriert wurden. Das Ergebnis: Laut Bildungsdirektion wurden im Bundesschulbereich vier Prozent der Klassengeräte (aus den Schuljahren 2021/22 sowie 2022/23) erst im Zuge der Erhebung im September 2023 erstkonfiguriert. Für weitere elf Prozent konnte diese Information nicht erhoben werden. Bis zur Prüfung durch den Rechnungshof waren somit in Kärnten 15 Prozent dieser Klassengeräte nicht nachweislich aktiviert.

In Niederösterreich war eine solche Auswertung aufgrund der dezentralen Administration nicht möglich. Der Rechnungshof weist kritisch darauf hin, dass die Bildungsdirektion für Niederösterreich somit keinen zentralen Überblick über die Nutzung der Klassengeräte hatte.

Keine Übersicht zu digitalen Kompetenzen von Lehrerinnen und Lehrern

Weder das Bildungsministerium noch die beiden geprüften Bildungsdirektionen konnten eine Übersicht zu den digitalen Kompetenzen der Lehrerinnen und Lehrer vorlegen. Dadurch blieb unklar, ob sie die nötigen Kompetenzen für einen qualitätsvollen IT-gestützten Unterricht hatten. Mittels Online-Test „digi.checkP“ können die Pädagoginnen und Pädagogen ihre digitalen Kompetenzen freiwillig selbst einschätzen.

Der Rechnungshof empfiehlt, eine Übersicht der digitalen Kompetenzen der Lehrpersonen zu erheben und bereits entwickelte Instrumente, wie etwa digi.checkP, dafür anzuwenden. Das  Fort- und Weiterbildungsangebot sollte entsprechend angepasst werden. Bereits bei der Ausbildung sollte der Erwerb digitaler Kompetenzen forciert werden.

Zugriffszahlen bei Portal Digitale Schule deutlich unter Erwartungen

Mit dem Teilprojekt Portal Digitale Schule wollte das Bildungsministerium eine zentrale Plattform schaffen. Es sollte dazu dienen, die digitalen Kommunikationskanäle zwischen Lehrpersonen, Schülerinnen und Schülern sowie Erziehungsberechtigten zu bündeln. Für die Umsetzung beauftragte das Bildungsministerium ein Beratungsunternehmen. Die erste Kostenschätzung für das Portal betrug 3,16 Millionen Euro. Schließlich wurden von Jänner 2021 bis Ende August 2023 dafür 12,26 Millionen Euro ausbezahlt

Neben den vierfach höheren als anfangs geschätzten Auszahlungen sieht der Rechnungshof zudem kritisch, dass die Zugriffszahlen auf das Portal Digitale Schule deutlich unter den Erwartungen lagen. Die vom Beratungsunternehmen genannte, mögliche Gesamtnutzerzahl von über drei Millionen Personen blieb völlig unerreicht. Da das Portal die Erwartungen nicht erfüllte, setzte das Ministerium auf die Entwicklung einer neuen Plattform. Die Website des Portals Digitale Schule wurde mit 30. Juni 2023 eingestellt. Seit dem Schuljahr 2023/24 steht ein technisch neu ausgerichtetes multifunktionales Bildungsportal vorerst für mittlere und höhere Bundesschulen zur Verfügung. Das neue Projekt wurde durch einen bundeseigenen Anbieter und kein Beratungsunternehmen abgewickelt.


Presseinformation: 8-Punkte-Plan für eine digitale Schule


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Umfang: 
108 Seiten

Bericht: 8-Punkte-Plan für eine digitale Schule

Der Rechnungshof überprüfte von Mai bis September 2023 den 8-Punkte-Plan für eine digitale Schule. Die Gebarungsüberprüfung betraf das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (in der Folge: Ministerium), die Länder Kärnten und Niederösterreich, die Bildungsdirektionen für Kärnten und für Niederösterreich sowie die OeAD-GmbH – Agentur für Bildung und Internationalisierung (in der Folge: OeAD-GmbH).

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