Ärztekammern für Wien und Oberösterreich sollen verstärkt auf wirtschaftliche Führung der Kammerverwaltung achten

08. November 2024 – Der Ärztekammer für Wien fehlte ein Beteiligungsmanagement

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Der Rechnungshof prüfte die Ärztekammer für Wien und die Ärztekammer für Oberösterreich und veröffentlichte heute die jeweiligen Berichte zu den Kammerverwaltungen sowie dem Wohlfahrtsfonds (Wien) beziehungsweise der Wohlfahrtskasse (Oberösterreich). Darin empfiehlt er den beiden Landesärztekammern unter anderem, verstärkt auf eine wirtschaftliche Führung der Kammerverwaltung zu achten. Denn im überprüften Zeitraum – den Jahren 2017 bis 2022 – stiegen in beiden Kammern die Aufwendungen mehr als die Erträge. In Wien stiegen die Aufwendungen um 47 Prozent, die Erträge jedoch nur um 35 Prozent. In Oberösterreich stiegen die Aufwendungen um 33 Prozent, die Erträge nur um 19 Prozent. Grund dafür waren unter anderem Personalkosten. Die Landesärztekammern finanzieren sich aus Pflichtbeiträgen ihrer Kammerangehörigen. Bei der Ärztekammer für Wien stellt der Rechnungshof zudem Mängel beim Management der Unternehmensbeteiligungen fest.  Diese erschwerten es, Versäumnisse der Geschäftsführung der ÄrzteEinkaufsService Equip4Ordi GmbH, ein Unternehmen zum Handel mit Ordinationsbedarf, zu erkennen und rechtzeitig steuernd einzugreifen. 

Zu den Aufgaben der Landesärztekammern zählen unter anderem die wirtschaftliche Interessenvertretung sowohl der niedergelassenen als auch der angestellten Ärztinnen und Ärzte (diese sind in Kurien innerhalb der Kammer organisiert) sowie die Versorgung und Unterstützung Kammerangehöriger durch einen Wohlfahrtsfonds, der in Oberösterreich als Wohlfahrtskasse bezeichnet wird. Dieser Fonds wurde zur Alters- und Krankenversorgung von Ärztinnen und Ärzten sowie deren Angehörigen eingerichtet. Die Landesärztekammern finanzieren sich aus Pflichtbeiträgen ihrer Kammerangehörigen. Mit Stichtag 31. Dezember 2022 verzeichnete die Ärztekammer für Wien 17.870 Kammerangehörige, jene für Oberösterreich 8.430. Die Landesärztekammern als gesetzliche berufliche Vertretungen sind im Grunde autonom. Sie können auch privatwirtschaftlich tätig werden, Vermögen aller Art, etwa Immobilien oder Unternehmensbeteiligungen, erwerben und besitzen sowie Unternehmen oder Vereine gründen. Bei privatwirtschaftlichen Tätigkeiten gilt es, die Risiken zu beurteilen und transparent festzulegen, wie damit strategisch umzugehen ist.  

Ärztekammer für Wien soll Beteiligungsmanagement einrichten

Strategische Festlegungen in Form einer Beteiligungspolitik und auch das Bewusstsein für ein Beteiligungsmanagement beim Erwerb von Beteiligungen fehlten der Ärztekammer für Wien im überprüften Zeitraum. Das zeigte sich am Beispiel der ÄrzteEinkaufsService Equip4Ordi GmbH, einer Gesellschaft zum Handel mit Ordinationsbedarf. Dafür weitete die Kurie für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte ihre Beteiligungen innerhalb von drei Jahren von einer gemeinnützigen GmbH auf eine Holdingstruktur mit insgesamt fünf Gesellschaften aus – vier davon waren gewinnorientiert. Der Rechnungshof hält kritisch fest, dass dies nicht auf einer kammerinternen Beteiligungspolitik basierte. Diese Entwicklung war zudem stark durch externe, von der Kurie beauftragte Berater geprägt, die davon später mit Geschäftsführungs- und Beiratstätigkeiten für die Gesellschaften profitierten. Trotz zahlreicher Beratungsdienstleistungen externer Personen wurden keine Konzepte für ein Beteiligungsmanagement erstellt und ein solches auch nicht eingerichtet. Ziel eines solchen Beteiligungsmanagements soll sein, die Eigentümerrolle aktiv wahrzunehmen, Risiken zu steuern und die Kammerangehörigen zu informieren. Das Fehlen des Beteiligungsmanagements erschwerte es, Versäumnisse der Geschäftsführung der ÄrzteEinkaufsService Equip4Ordi GmbH, die keine Unternehmensstrategie und keinen Businessplan vorlegte, zu erkennen und rechtzeitig steuernd einzugreifen.

Kammerverwaltung der Ärztekammer für Wien: Personalaufwand gestiegen

Die Ärztekammer für Wien wirtschaftete in den Jahren 2017 bis 2022 in Summe positiv; der Jahresüberschuss betrug insgesamt 2,44 Millionen Euro. In diesem Zeitraum stiegen die betrieblichen Erträge um 35 Prozent. Die Kammerumlagen im Jahr 2022 betrugen 22,85 Millionen Euro, sie machten 96 Prozent der Erträge aus. Die betrieblichen Aufwendungen im Zeitraum 2017 bis 2022 stiegen mit 47 Prozent jedoch stärker als die Erträge. Grund dafür war der Anstieg des Personalaufwands von 72,1 Prozent. Im Zeitraum 2017 bis 2022 nahm die Zahl der Bediensteten um 38,4 Prozent zu. Auch das durchschnittliche Jahresbruttogehalt erhöhte sich um 33,3 Prozent.

Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien: Risiko bei Immobilienkauf

Der Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien erzielte in den Jahren 2017 bis 2022 insgesamt ein positives Ergebnis von 450,94 Millionen Euro. Die Ärztekammer für Wien veranlagte die Mittel des Wohlfahrtsfonds vor allem in Immobilien und Wertpapiere. Das veranlagte Vermögen betrug 2022 rund 1,459 Milliarden Euro. Die Ärztekammer für Wien hob Ende 2021 jene strategische Festlegung auf, die den Immobilienanteil am Vermögen des Wohlfahrtsfonds mit 50 Prozent begrenzte. Teil des Immobilienvermögens ist auch eine Immobilie im 1. Wiener Gemeindebezirk, die mit einem endfälligen Kredit in Höhe von 343,69 Millionen Euro finanziert war. Sie war durch die restlichen Immobilien des Wohlfahrtsfonds besichert. Die Kredithöhe entsprach einem Drittel des gesamten Vermögens des Wohlfahrtsfonds. Der Rechnungshof weist kritisch auf das daraus resultierende Klumpenrisiko hin, also das Risiko eines Verlusts, weil ein zu großer Vermögenswert in einem Investment gebunden ist.

Kammerverwaltung der Ärztekammer für Oberösterreich: Verlust im Jahr 2022

In den Jahren 2017 bis 2021 waren die Erträge der Kammerverwaltung bei der Ärztekammer für Oberösterreich jährlich durchschnittlich um 1,51 Millionen Euro höher als die Aufwendungen. Vor dem Hintergrund dieser Gewinne und der dadurch entstandenen Höhe des Eigenkapitals senkte die Ärztekammer für Oberösterreich im Jahr 2021 einen Teil der Kammerumlagen. Das Ergebnis: Im Zusammenspiel mit der Inflations- und Zinsentwicklung führte dies dazu, dass im Jahr 2022 die Aufwendungen die Erträge deutlich überstiegen. Den entstandenen Verlust in Höhe von 1,92 Millionen Euro deckte die Ärztekammer für Oberösterreich aus der Rücklage „Sonderfonds für standespolitischen Bedarf“. Regelungen darüber, wie die Mittel aus diesem Sonderfonds verwendet werden, hatte sie nicht festgelegt. Jedoch: Über den gesamten überprüften Zeitraum betrachtet waren die Aufwendungen mit 33 Prozent bereits stärker gestiegen als die Erträge, die um 19 Prozent stiegen. Ausschlaggebend war der Personalaufwand, der in den Jahren 2017 bis 2022 mit 33 Prozent stark angestiegen war. Daher lautet die Empfehlung des Rechnungshofes, auf eine wirtschaftliche Führung der Kammerverwaltung zu achten.

Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich: Zahl der Pensionsbeziehenden steigt

Der Rechnungshof empfiehlt der Ärztekammer für Oberösterreich, bei der Finanzplanung für die Wohlfahrtskasse darauf zu achten, dass ausreichend liquide Mittel zur Verfügung stehen, wenn künftige Leistungen nicht mehr durch Beiträge gedeckt sind. Die Wohlfahrtskasse erzielte im Zeitraum 2017 bis 2022 zwar ein positives Ergebnis von 230,87 Millionen Euro, weil mehr Beiträge eingezahlt als Leistungen ausbezahlt und insgesamt ein positives Veranlagungsergebnis erzielt wurden. Der Rechnungshof weist aber darauf hin, dass sich der Überschuss der Beiträge über die Leistungen in diesem Zeitraum verringerte, weil die Anzahl der Pensionsbeziehenden rund zwölfmal so stark stieg wie die Anzahl der Beitragszahlenden. Zu erwarten ist, dass sich diese Tendenz fortsetzt. Es ist laut Rechnungshof nicht garantiert, dass sich diese Entwicklung durch positive Veranlagungsergebnisse überbrücken lässt. Das zeigen beispielsweise negative Veranlagungsergebnisse aus den Jahren 2018 oder auch 2022, als Verluste in Höhe von 6,39 Millionen Euro beziehungsweise 107,46 Millionen Euro ausgewiesen wurden.

Die Ärztekammer für Wien gab zum Ergebnis der Überprüfung durch den Rechnungshof eine Stellungnahme ab.

Presseinformation: Ärztekammer für Wien und Ärztekammer für Oberösterreich


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Umfang: 
92 Seiten

Bericht: Ärztekammer für Wien – Kammerverwaltung und Wohlfahrtsfonds

Der RH überprüfte von Dezember 2022 bis Juni 2023 die Ärztekammer für Wien mit den Schwerpunkten Kammerverwaltung und Wohlfahrtsfonds.
Prüfungsziel war es,
• die Entwicklung der Gebarung und ausgewählte Aspekte der Organisation der
Kammerverwaltung sowie
• die Entwicklung der Gebarung und des Vermögens des Wohlfahrtsfonds
zu beurteilen.
Dabei befasste sich der Rechnungshof insbesondere mit der langfristigen Ab­sicherung dieses Versorgungssystems. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2017 bis 2022. Teilweise berücksichtigte der Rechnungshof auch frühere und aktuellere Entwicklungen.

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Umfang: 
24 Seiten

Stellungnahme der Ärztekammer für Wien zum Ergebnis der Überprüfung durch den Rechnungshof

Die Erweiterte Vollversammlung der Ärztekammer für Wien behandelte in ihrer Sitzung vom 11. Juni 2024 das Ergebnis der Überprüfung über die Kammerverwaltung und den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien. Die Ärztekammer für Wien übermittelte dem Rechnungshof im Mai 2024 eine Stellungnahme dazu.

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Umfang: 
78 Seiten

Ärztekammer für Oberösterreich – Kammerverwaltung und Wohlfahrtskasse

Der RH überprüfte von Dezember 2022 bis Juni 2023 die Ärztekammer für Oberösterreich mit den Schwerpunkten Kammerverwaltung und Wohlfahrtskasse. Prüfungsziel war es,
• die Entwicklung der Gebarung und ausgewählte Aspekte der Organisation der
Kammerverwaltung sowie
• die Entwicklung der Gebarung und des Vermögens der Wohlfahrtskasse
zu beurteilen.
Dabei befasste sich der Rechnungshof insbesondere mit der langfristigen Absicherung des Versorgungssystems. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2017 bis 2022. Teilweise berücksichtigte der Rechnungshof auch frühere und aktuellere Entwicklungen.

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