E-Government auf Gemeindeebene: 42 Prozent der Anträge noch in Papierform

06. September 2024 – Der Rechnungshof prüfte die Gemeinden Groß-Enzersdorf, Hallein, Mödling und St. Johann im Pongau

Sei es die Kindergartenanmeldung, die Veranstaltungsanmeldung oder die Hundeanmeldung – sie alle können in den Stadtgemeinden Groß-Enzersdorf, Hallein, Mödling und St. Johann im Pongau nicht nur persönlich im Gemeindeamt, sondern auch online erfolgen. In seinem heute veröffentlichten Bericht „Digitales Leistungsspektrum ausgewählter Gemeinden“ prüfte der Rechnungshof die E-Government-Angebote dieser vier Stadtgemeinden. Er stellt fest: Alle vier nahmen durch entsprechende Online-Angebote Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen wahr, konkret beziffern können sie sie allerdings nicht. Der Rechnungshof erhob die Daten über die Nutzungshäufigkeit der verschiedenen Antragsarten in vier Bereichen. Demnach wurden im Jahr 2022 in den vier Stadtgemeinden insgesamt 42 Prozent der gestellten Anträge in Papierform eingebracht, 18 Prozent als E-Mail und 40 Prozent als Webformular. Welche Online-Anwendungen die Bürgerinnen und Bürger benötigen und wie sie die E-Government-Angebote nützen, analysierten die vier Stadtgemeinden nicht. Und: Indem die überprüften Stadtgemeinden die Umsetzung der E-Government-Angebote externen Dienstleistern übertrugen, gingen sie eine hohe Abhängigkeit ein. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2020 bis 2022.

Bürgerinnen und Bürger können die E-Government-Angebote ihrer Stadtgemeinde über die Gemeinde-Website und entsprechende Mobilapplikationen nützen. Für Anträge stehen Webformulare mit programmierten Datenfeldern sowie Formulare im Dokumentenformat zum Download zur Verfügung. Die überprüften Stadtgemeinden Groß-Enzersdorf, Hallein, Mödling und St. Johann im Pongau beurteilen die Auswirkungen ihrer E-Government-Angebote grundsätzlich positiv. Der Rechnungshof hält kritisch fest, dass sie keine Kosten-Nutzen-Analysen zu den E-Government-Angeboten durchführten. Die Stadtgemeinden begründeten das vorwiegend damit, dass keine Kostenrechnung oder Leistungserfassung bestand und somit die tatsächlichen Kosten- und Zeitersparnisse objektiv nicht messbar waren. Der Rechnungshof empfiehlt, Kosten und Nutzen der Angebote zu quantifizieren beziehungsweise zu berechnen. Dafür kann es sinnvoll sein, eine Kostenrechnung sowie eine Leistungserfassung einzusetzen.

Überwiegender Anteil der Anträge erfolgte digital

Die Prüferinnen und Prüfer erhoben bei den überprüften Stadtgemeinden Daten über die Nutzungshäufigkeit der verschiedenen Antragsarten am Beispiel der Bereiche Vereinsförderung, Hundeanmeldung, Veranstaltungsanmeldung und Kindergartenanmeldung. Die am häufigsten verwendete Antragsart war der Papierantrag. Von den Anträgen im Jahr 2022 wurden 42 Prozent in Papierform eingebracht. Der überwiegende Anteil aber erfolgte digital: 18 Prozent als E-Mail und 40 Prozent als Webformular. Von 2020 bis 2022 waren die Anträge in Papierform und per E-Mail um acht Prozent beziehungsweise vier Prozent zurückgegangen, die Anträge per Webformular um 97 Prozent gestiegen. Dieser Anstieg war vor allem darauf zurückzuführen, dass die Stadtgemeinde Hallein die Kindergarten-Webanwendung einsetzte.

Keine Analysen zu E-Government-Angeboten

Keine der vier überprüften Stadtgemeinden führte Analysen zu den Anforderungen oder dem Nutzungsverhalten der Bürgerinnen und Bürger vorab durch. Die vier Stadtgemeinden gaben für ihre E-Government-Angebote auch keine quantifizier­baren Ziele vor und führten auch keine Messungen zur Nutzung der Angebote durch. Es sollte eine Bedarfsanalyse im Bereich der E-Government-Angebote durchgeführt werden, um weitere Digitalisierungsschritte gezielter setzen zu können, empfiehlt der Rechnungshof. Dafür könnte ein Ideenprozess auf Gemeindeebene in Gang gesetzt werden, in dem Bürgerinnen und Bürger ihre Anforderungen und Wünsche äußern. Die Ergebnisse könnten direkt in eine Digitalisierungsstrategie der Gemeinde einfließen.

Eine von vier überprüften Stadtgemeinden hatte eine Digitalisierungsstrategie

Von den vier überprüften Gemeinden hatte nur die Stadtgemeinde Groß-Enzersdorf eine Digitalisierungsstrategie. Die anderen Gemeinden setzten Digitalisierungs­schritte im Anlassfall beziehungsweise in Absprache mit den externen Dienstleistern. Der Rechnungshof empfiehlt den Stadtgemeinden Hallein, Mödling und St. Johann im Pongau, ein Gesamtkonzept für die Umsetzung der nächsten Digitalisierungsschritte und E-Government-Angebote zu entwickeln. Die Stadtgemeinden Hallein und Mödling verfügten über keine zentrale Steuerung im Bereich der Digitalisierung. Der Rechnungshof empfiehlt den beiden Stadtgemeinden, eine solche einzurichten, denn diese ermöglicht ein koordiniertes und strukturiertes Vorgehen bei der Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen.

Vertragliche Regelung mit externen Dienstleistern unzureichend

In Hinblick auf externe Dienstleister hält der Rechnungshof fest, dass eine hohe Abhängigkeit der Stadtgemeinden von einzelnen externen Dienstleistern besteht. Diese bieten neben Lizenzen für Softwareprogramme auch Dienstleistungspakete für die laufende Wartung und Betreuung an. Die Gemeinden übertrugen ihnen die Umsetzung der E-Government-Angebote teils aus Kostengründen und teils, weil diese durch die Tätigkeit in anderen Gemeinden einen Wissensvorsprung hatten. Somit waren die externen Dienstleister wesentliche Impulsgeber für neue E-Government-Anwendungen. Bezüglich Geschäftsbeziehungen zu den externen Dienstleistern hält der Rechnungshof kritisch fest: Die Regelung der Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen der externen Dienstleister war unzureichend. Vielfach lagen für die erbrachten Leistungen keine schriftlichen Verträge vor. Damit wurden die Leistungsbedingungen nicht festgelegt. Einzig einzelne Verträge der Stadtgemeinde Mödling enthielten detaillierte Bedingungen für erbrachte Leistungen. Der Rechnungshof empfiehlt den vier Stadtgemeinden, mit ihren externen Dienstleistern schriftliche Verträge über alle relevanten Leistungen abzuschließen. Die Verträge sollten detaillierte Bedingungen zum Leistungsumfang und zur Leistungserbringung enthalten und Klarheit über die Geschäftsbeziehung herstellen.

Presseinformation: Digitales Leistungsspektrum ausgewählter Gemeinden


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78 Seiten

Bericht: Digitales Leistungsspektrum ausgewählter Gemeinden

Der Rechnungshof überprüfte von April bis Oktober 2023 das digitale Leistungsspektrum der Stadtgemeinden Groß-Enzersdorf, Hallein, Mödling und St. Johann im Pongau. Die Prüfung umfasste sämtliche E-Government-Angebote, welche die vier Stadtgemeinden für die Bürgerinnen und Bürger bereitstellten, um Amtswege auf digitalem Weg (ohne persönliches Erscheinen im Gemeindeamt) zu absolvieren oder um über relevante Gemeindeaktivitäten informiert zu werden. Ziel der Prüfung war es, das E-Government-Angebot der vier Stadtgemeinden zu erheben, die internen Abläufe und Arbeitsprozesse, die an das digitale Angebot geknüpft waren, darzustellen sowie die damit verbundenen Kosten und personellen Ressourcen zu erfassen. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2020 bis 2022.

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