Medizinische Rehabilitation stärker an Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten anpassen

29. November 2024 – Anträge sollen digital gestellt werden können

Medizinische Rehabilitation Therapie - Copyright: Foto: iStock@Vittorio Gravino

Die medizinische Rehabilitation ist ein wichtiger Teil der Gesundheitsversorgung in Österreich. Im Jahr 2022 flossen hierzulande 1,077 Milliarden Euro in stationäre und ambulante medizinische Rehabilitationsverfahren. Den Großteil davon, 74 Prozent, finanzierte die Pensionsversicherungsanstalt (PVA). Zwischen 2003 und 2022 verdreifachte sich die Anzahl der Verfahren der PVA. Seit seiner Prüfung im Bereich der medizinischen Rehabilitation im Jahr 2017 stellt der Rechnungshof Fortschritte fest, allerdings gibt es Potenzial zur weiteren Verbesserung. Die Leistungen der medizinischen Rehabilitation sollten noch stärker an die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten angepasst werden. Das empfiehlt der Rechnungshof in seinen heute veröffentlichten Berichten „Medizinische Rehabilitation – Entwicklung und Steuerung“ und „Medizinische Rehabilitation – Organisation und Umsetzung“. Weiters: Die rechtlichen Rahmenbedingungen führen dazu, dass Pensionsbeziehende unter anderem von ambulanter medizinischer Rehabilitation in der Pensionsversicherung ausgeschlossen sind. Außerdem empfiehlt der Rechnungshof, dass Anträge auf medizinische Rehabilitation künftig digital gestellt werden sollten. Verbesserungen stellt er hingegen bei der medizinischen Kinder- und Jugendrehabilitation fest. Der Prüfungszeitraum umfasste die Jahre 2015 bis 2022.

Therapien sollen noch individueller werden

Die PVA begann im Jahr 2016 damit, die Rahmenbedingungen für die medizinische Rehabilitation zu verändern. So wurden der Fokus der Rehabilitation auf die Teilhabe am sozialen und beruflichen Umfeld gelegt und die Leistungen stärker individualisiert. Der Rechnungshof hält es für sinnvoll, die Leistung der Rehabilitationseinrichtungen noch stärker an die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten anzupassen. So war die Rehabilitation aufgrund der einheitlichen Therapiezeit von 1.800 Minuten – aufgeteilt auf drei Wochen – pro Patientin beziehungsweise Patient zur Zeit der Rechnungshofprüfung noch in weiten Teilen eine standardisierte Leistung, dies jedoch unabhängig vom konkreten Patientenbedürfnis. Abweichungen erfolgten nur in drei Prozent der Fälle.

Anträge sollen digital erfolgen

Zwar plante die PVA gemeinsam mit dem Dachverband der Sozialversicherungs​träger, einen digitalen „Kur- und Reha-Antrag“ umzusetzen. Derzeit ist das Formular, mit dem Patientinnen und Patienten einen Antrag auf Rehabilitation stellen und das von einer Ärztin oder einem Arzt unterschrieben wird, aber noch immer in Papierform auszufüllen. Dadurch besteht das Risiko, dass wesentliche Angaben im Antrag fehlen. Und es wird beispielsweise schwieriger, die bestgeeignete Einrichtung auszuwählen. Der Rechnungshof empfiehlt, die Digitalisierung und Verbesserung des Prozesses zur Beantragung von medizinischer Rehabilitation rasch umzusetzen.

Unklare Zuständigkeiten zwischen Pensions- und Krankenversicherung

Die medizinische Rehabilitation ist rechtlich auf mehreren Ebenen geregelt: im Sozialversicherungsrecht, in Verträgen zwischen den Sozialversicherungsträgern und den Leistungserbringern sowie in landesrechtlich vorgegebenen Rahmenbedingungen

Weiters ist die medizinische Rehabilitation auf gesetzlicher Ebene sowohl den Kranken- als auch den Pensionsversicherungsträgern zugewiesen, dies teilweise überlappend. Bei den Trägern unterscheiden sich allerdings die Ziele der Rehabilitation, die Voraussetzungen, nach denen Leistungen gewährt werden, und die Definition der Leistungen. Der Rechnungshof empfiehlt dem Sozialministerium, darauf hinzuwirken, dass die Zuständigkeiten zwischen Pensions- und Krankenversicherung klar verteilt werden.

Rechtslage für Pensionsbeziehende ungünstiger als für aktiv Versicherte

Pensionsbeziehende erhalten von der PVA weder ambulante medizinische Rehabilitation noch Rehabilitation bei psychischen Erkrankungen und bei Lympherkrankungen. Sie haben nur Anspruch auf stationäre Rehabilitation. Eine sachliche Begründung dafür liegt nicht vor

Der Rechnungshof kritisiert diese ungünstige Rechtslage für Pensionsbeziehende. Er empfiehlt dem Sozialministerium, im Rahmen einer Rehabilitations-Gesamtstrategie die Regelungen für Pensionsbeziehende neu zu gestalten. Damit sollte der Zugang zur medizinischen Rehabilitation verbessert und Pflegebedarf hintangehalten werden.

Flächendeckende Versorgung für die stationäre Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen

Bis 2017 fehlten in Österreich weitgehend Einrichtungen für die stationäre Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen. Mit Verzögerung wurde mittlerweile ein regional differenziertes Angebot sichergestellt. Insgesamt gibt es sechs Rehabilitationseinrichtungen für Kinder und Jugendliche. Die letzte ging im Frühjahr 2023 in Betrieb. Allerdings: Der Anteil des Bereichs Mental Health am Rehabilitationsbedarf war fast doppelt so groß wie im Jahr 2010 erwartet – als begonnen wurde, eine österreichweite stationäre Rehabilitationsversorgung für Kinder und Jugendliche einzurichten. So entfielen im Jahr 2022 rund zwei Drittel beziehungsweise 1.687 Anträge auf den Bereich Mental Health

Kritisch sieht der Rechnungshof, dass der Dachverband keine Auswertung der jährlichen Kosten der Kinder- und Jugendrehabilitation hatte. Er empfiehlt, die Kosten zu erfassen und alle Länder und Sozialversicherungsträger diesbezüglich einzubinden. Er hält es für dringend erforderlich, den Bedarf im Rahmen des Rehabilitationsplans 2025 neu zu berechnen. Der Dachverband sollte daher eine Evaluierung der stationären Rehabilitationseinrichtungen für Kinder und Jugendliche zeitnah beauftragen. Die Auslastung der Rehabilitationsbetten für Kinder und Jugendliche betrug nämlich in den Jahren 2018 bis 2022 höchstens 59 Prozent. Gründe waren die COVID-19-Pandemie, aber unter anderem auch Schwierigkeiten der Eltern, die Kinder während der medizinischen Rehabilitation zu begleiten.

Tarife ohne Kalkulation festgelegt

Für medizinische Rehabilitation zuständig sind der Dachverband der Sozialversicherungsträger, die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) und die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK). Die Grundsatzentscheidungen zu Organisation und Umsetzung trifft die PVA, weil auf sie die meisten Rehabilitationsverfahren entfallen. Zur Zeit der Prüfung gab es 94 private Vertragseinrichtungen zur medizinischen Rehabilitation und 17 von der PVA.

Die PVA verwaltet ein komplexes System von mehr als 200 Rahmen- und bilateralen Verträgen, weil sie dabei zwischen mehreren Indikationen – also der Art der Erkrankung, beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen –, Standorten sowie Arten der Leistungserbringung (stationär und ambulant) unterscheidet. Die Tarife sind je nach Indikation für alle Vertragspartner gleich, unabhängig von den konkreten Kosten der jeweiligen Einrichtung.

Ob die Tarife angemessen sind, ist nach Ansicht des Rechnungshofes nur im Rahmen einer Kalkulation überprüfbar. Die Empfehlung: Die PVA soll unter anderem durch geeignete Berechnungen sicherstellen, dass das Tarifsystem für die Sozialversicherung wirtschaftliche bzw. sparsame Ergebnisse erzielt. Zur Zeit der Prüfung hatte die PVA nur im Bereich der Onkologie eine Kalkulation. Ein System mit Kalkulationen für alle Indikationen lag nicht vor.

In Hinblick auf die höheren Kosten der eigenen Einrichtungen der PVA, die relativ geringe Nutzung von Alleinstellungsmerkmalen und den erheblichen Investitionsbedarf ist die Struktur der eigenen Einrichtungen zu prüfen.


Presseinformation: Medizinische Rehabilitation


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Umfang: 
88 Seiten

Bericht: Medizinische Rehabilitation – Entwicklung und Steuerung

Der Rechnungshof überprüfte von Juni 2023 bis Oktober 2023 das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, den Dachverband der Sozialversicherungsträger, die Pensionsversicherungsanstalt und die Österreichische Gesundheitskasse mit dem Schwerpunkt medizinische Rehabilitation. Ziel der Gebarungsüberprüfung war es, die Entwicklung der medizinischen Rehabilitation, deren Rechtsgrundlagen und Steuerung sowie die Planung zu beurteilen. Der Rechnungshof knüpfte bei dieser Prüfung auch an Feststellungen und Empfehlungen aus seinem Bericht „Compliance im Vergabe- und Personalbereich in der Sozialversicherung“ (Reihe Bund 2017/7) an. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2015 bis 2022.

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Umfang: 
82 Seiten

Bericht: Medizinische Rehabilitation – Organisation und Umsetzung

Der Rechnungshof überprüfte von Juni 2023 bis Oktober 2023 den Dachverband der Sozialversicherungsträger, die Pensionsversicherungsanstalt und die Österreichische Gesundheitskasse. Erhebungen fanden auch beim Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz statt. Ziel der Gebarungsüberprüfung war es, die Organisation und Umsetzung der medizinischen Rehabilitation durch die Sozialversicherungsträger zu beurteilen, insbesondere die Definition der Medizinischen Leistungsprofile, das Vertragspartnermanagement, das Tarifsystem, die Qualitätssicherung und Bearbeitung der Anträge der Versicherten sowie das System zur Zuweisung von Patientinnen und Patienten an die Leistungserbringer. Der Rechnungshof knüpfte bei dieser Prüfung auch an Feststellungen und Empfehlungen aus seinem Bericht „Compliance im Vergabe– und Personalbereich in der Sozialversicherung“ (Reihe Bund 2017/7) an. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2015 bis 2022.

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