Optimale Versorgung von älteren Patientinnen und Patienten sicherstellen
Der Anteil der Personen ab 75 Jahren in Österreich wird steigen. Aufgrund der demografischen Entwicklung ergibt sich ein erhöhter Versorgungsbedarf für ältere Patientinnen und Patienten. Die Akutgeriatrie zielt darauf ab, akut kranke geriatrische Patientinnen und Patienten zu versorgen. Das Ziel ist, sie nach der Behandlung in einer Krankenanstalt in das gewohnte Lebensumfeld zu reintegrieren. Die Remobilisation verfolgt das gleiche Ziel, richtet sich jedoch an Patientinnen und Patienten jeden Alters. Das Angebot in Österreich ist heterogen, stellt der Rechnungshof in seinem heute veröffentlichten Bericht „Akutgeriatrie und Remobilisation in Niederösterreich und in der Steiermark“ fest. In der Steiermark gab es überwiegend Akutgeriatrie-Betten, in Niederösterreich bis 2022 nur Remobilisations-Betten. Beide Länder planen den Ausbau des Versorgungsangebots. Dafür braucht es ein Gesamtkonzept, empfiehlt der Rechnungshof. Versorgungslücken, aber auch Parallelstrukturen, sollen vermieden werden. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2018 bis 2022.
Im Jahr 2022 gab es in Österreich 1.668 Akutgeriatrie-Betten und 199 Remobilisations-Betten in Krankenanstalten. Auf diesen werden Patientinnen und Patienten mit interdisziplinärem Versorgungsbedarf betreut. Das bedeutet, dass neben ärztlichem Personal und Pflege auch verschiedene Therapeutinnen und Therapeuten – beispielsweise in der Physiotherapie oder Ergotherapie – tätig sind. Patientinnen und Patienten in der Remobilisation waren mit durchschnittlich rund 76 Jahren nur um knapp vier Jahre jünger als jene in den Akutgeriatrien, wie Zahlen für das Jahr 2022 zeigen. Nicht nur daraus war erkennbar, dass eine klare Abgrenzung der beiden Versorgungsbereiche in der Praxis nur bedingt möglich beziehungsweise zweckmäßig war.
Im Jahr 2022 gab es in der Steiermark 332 Akutgeriatrie-Betten und zehn Remobilisations-Betten, in Niederösterreich 37 Remobilisations-Betten und drei Akutgeriatrie-Betten in Krankenanstalten. Niederösterreich verfügt darüber hinaus seit Jahren über rehabilitative Übergangspflegeplätze in Pflegeheimen. Diese unterscheiden sich von Akutgeriatrie und Remobilisation unter anderem durch eine nicht vergleichbare medizinische Betreuung. In der Steiermark wurden in den Jahren 2017 bis 2023 mindestens neun Projekte im Bereich der Akutgeriatrie durchgeführt. So startete 2023 beispielsweise die landesweite Umsetzung der mobilen geriatrischen Remobilisation.
Der Rechnungshof empfiehlt den beiden Ländern, besonders für geriatrische Patientinnen und Patienten ein längerfristiges Gesamtkonzept, das alle Angebote umfasst, zu entwickeln. Eine Gesamtstrategie sollte für die optimale, effektive Versorgung am Best Point of Service sorgen. Best Point of Service bedeutet, dass die Versorgung jeweils zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort mit optimaler medizinischer pflegerischer Qualität zu erbringen ist. Damit sollen nicht nur Parallelstrukturen beziehungsweise Doppelgleisigkeiten vermieden werden, sondern auch etwaige Versorgungslücken.
Direkte Aufnahme in Akutgeriatrien vergleichsweise niedrig
Eine Aufnahme in die Akutgeriatrie sollte zeitnah zum tatsächlichen Akutereignis erfolgen. Tatsächlich war die Zahl der direkten Aufnahmen (Primäraufnahme) vergleichsweise niedrig: So waren in der Steiermark nahezu zwei Drittel der Patientinnen und Patienten im Zeitraum Dezember 2021 bis Ende 2022 auf einer anderen Abteilung, beispielsweise Orthopädie oder Unfallchirurgie, bevor sie auf die Akutgeriatrie kamen (Sekundäraufnahme). In ganz Österreich waren in diesem Zeitraum 27 Prozent der Aufnahmen primär. Die niedrige Anzahl ist zu analysieren, empfiehlt der Rechnungshof.
Es fehlten auch konkrete Angaben, wie viele – eigentlich akutgeriatrische – Patientinnen und Patienten in Niederösterreich und in der Steiermark auf anderen Abteilungen auf welche Weise versorgt wurden. Nicht beurteilt werden konnte zudem, ob sie auf anderen Abteilungen – häufig waren es die Innere Medizin, aber auch die Orthopädie oder die Unfallchirurgie – in vergleichbarem Ausmaß (physio-)therapeutische Dienste oder aktivierende Pflege in Anspruch nehmen konnten.
Geriatrische Ausbildung
In Österreich gibt es keine eigene Facharztrichtung Geriatrie. Nach Abschluss einer allgemeinmedizinischen oder bestimmter fachärztlicher Ausbildung(en) können Ärztinnen und Ärzte eine Zusatzqualifikation erwerben. Die Zahl der Ärztinnen und Ärzte mit Zusatzfach und/oder Spezialisierung Geriatrie nahm sowohl in Niederösterreich und in der Steiermark als auch österreichweit im Zeitraum 2018 bis 2023 um bis zu zwölf Prozent ab; bis zu 81 Prozent dieser Ärztinnen und Ärzte waren 50 Jahre und älter. Der Rechnungshof empfiehlt dem Gesundheitsministerium, gemeinsam mit den Ländern den Bedarf, die Ausbildungskapazitäten und deren Inanspruchnahme im geriatrischen Bereich sowie die Attraktivität der Spezialisierung Geriatrie zu analysieren.
Niederösterreich zahlte 10,34 Millionen Euro für nicht belegte Betten
Die NÖ Landesklinikenholding (seit 2020: NÖ Landesgesundheitsagentur) schloss im Jänner 2013 mit einem privaten Betreiber, der zu diesem Zeitpunkt plante, eine Sonderkrankenanstalt zu errichten, einen Angliederungsvertrag ab. Laut Vertrag würde der private Betreiber 60 Remobilisations-Betten bereitstellen sowie die Pflege und Therapie von Patientinnen und Patienten einschließlich einer medizinischen Grundversorgung übernehmen. Die fachärztliche Betreuung sollte das Landesklinikum Wiener Neustadt durchführen. Im Vertrag war eine 90-prozentige Auslastungsgarantie vereinbart, diese Auslastung wurde jedoch bis 2022 nie erreicht. Da sich das Entgelt an der garantierten Auslastung bemaß, hatte die NÖ Landesgesundheitsagentur von 2015 bis 2022 insgesamt 10,34 Millionen Euro für nicht belegte Betten zu zahlen. Sie könnte den Angliederungsvertrag frühestens mit Wirkung 31. Dezember 2034 kündigen.
Presseinformation: Akutgeriatrie und Remobilisation in Niederösterreich und in der Steiermark
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- 114 Seiten
Bericht: Akutgeriatrie und Remobilisation in Niederösterreich und in der Steiermark
Der Rechnungshof überprüfte von Juni bis Oktober 2023 die Versorgungsbereiche „Akutgeriatrie/Remobilisation“ (in der Folge: Akutgeriatrie) sowie „Remobilisation und Nachsorge“ (in der Folge: Remobilisation) in Niederösterreich und in der Steiermark.
Prüfungsziele waren
• die Analyse der (Planungs-)Grundlagen für die Akutgeriatrie und Remobilisation (u.a. Österreichischer Strukturplan Gesundheit (ÖSG) und Regionale Strukturpläne Gesundheit (RSG) für Niederösterreich und die Steiermark),
• die Darstellung der Versorgungsstrukturen für Akutgeriatrie- und Remobilisations-Patientinnen und -Patienten österreichweit und eine Analyse in Niederösterreich und in der Steiermark sowie
• die Darstellung und Beurteilung u.a. der Versorgung, des Leistungsspektrums und der erbrachten Leistungen bzw. deren Entwicklung in Akutgeriatrie- und Remobilisations-Einrichtungen der überprüften Krankenanstaltenträger.
Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2018 bis 2022. Bei Bedarf ging der Rechnungshof auch auf frühere bzw. spätere Entwicklungen ein.