Vollzug von Verwaltungsstrafen im Umweltbereich vereinheitlichen

30. August 2024 – Vielzahl an Materiengesetzen als Herausforderung für Bezirkshauptmannschaften

In seinem heute veröffentlichten Bericht prüfte der Rechnungshof „Verwaltungs­strafen im Umweltbereich“ in den Ländern Oberösterreich und Steiermark. Dabei fokussierte er auf den Vollzug in den Bezirkshauptmannschaften (BH). Aufgrund der Vielzahl an Materiengesetzen und fehlender Vorgaben gestaltet sich ein einheitlicher Vollzug von Verwaltungsstrafverfahren für die BH schwierig. Die jeweiligen Daten zu den Verwaltungsstrafen der BH Braunau und Gmunden (OÖ) sowie Bruck­ Mürzzuschlag und Liezen (Steiermark) wurden dazu schwerpunktmäßig geprüft. Die Verwaltungsstrafverfahren werden in den beiden Bundesländern mit dem IT­-basierten „Verwaltungsstrafenprogramm“ – kurz VStV – abgewickelt. Das Programm war wenig anwenderfreundlich, da es nicht primär für Umweltverfahren ausgelegt war. Ebenfalls kritisch beurteilten die Prüferinnen und Prüfer die mangelnden Auswertungsmöglichkeiten in VStV. Sie empfehlen, das Programm gemeinsam mit den anderen Bundesländern und dem Innenministerium technisch zu überarbeiten. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2019 bis Mitte 2023.

Einheitlichkeit des Vollzugs erweitern

Neben dem Verwaltungsstrafgesetz sind für Verwaltungsstrafverfahren Bundes­- und Landesgesetze relevant. Das Verwaltungsstrafgesetz regelt unter anderem den Ablauf des Verfahrens und die Verjährungsfristen. In einer Vielzahl von Bundes­- und Landesgesetzen finden sich die einzelnen Verwaltungsstraftatbestände (Delikte). Der Rechnungshof verwendet für diese Bundes-­ und Landesgesetze zusammenfassend den Begriff „Materiengesetze“.

Für seine Prüfung wählte der Rechnungshof drei Bundes-­ und pro Land jeweils drei Landes­-Materiengesetze aus dem Umweltbereich aus: Auf Bundesebene das Abfallwirtschaftsgesetz, das Forstgesetz sowie das Wasserrechtsgesetz und für die beiden Bundesländer die jeweiligen Jagdgesetze, Naturschutzgesetze sowie Nationalparkgesetze. Die Materiengesetze können für die in ihnen festgelegten Delikte auch maximale Strafhöhen und Zweckwidmungen für die Strafgelder definieren.

Hierzulande sind die BH für eine Vielzahl von Materiengesetzen zuständig. Ein einheitlicher Vollzug innerhalb der BH – aber auch besonders BH-­ und länderübergreifend – ist dadurch herausfordernd. Angesichts dessen erkennt der Rechnungshof die Bemühungen für einen einheitlichen Vollzug der Materiengesetze durch die Verfassungsdienste in den Ämtern der Landesregierungen und im Bundeskanzleramt an. Aufgrund der Unterschiede bei der Abwicklung der Verwaltungsstrafverfahren in den BH empfiehlt er jedoch weitere Schritte, wie etwa klare Vorgaben durch die Oberbehörde. Der Rechnungshof weist hierbei wie in vergangenen Prüfungen auf ein fehlendes bundesweites Verwaltungsstrafregister hin. Bei der Strafbemessung wurden Wiederholungstaten unter anderem deswegen nicht als Erschwerungsgrund berücksichtigt.

Die Regelung mittels Erlass der Ministerien und der Länder erachtet der Rechnungs­hof als wirksames Instrument für die Einheitlichkeit des Vollzugs. Fachabteilungen in den Bundesministerien und den Ländern sowie die Verfassungsdienste in den Ämtern der Landesregierungen und im Bundeskanzleramt nutzten diese aber nur zum Teil. Er empfiehlt daher dem Klimaschutzministerium, dem Landwirtschaftsministerium und den Ländern Oberösterreich und Steiermark, mit dem Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt sowie mit den anderen Ländern den Vollzug von Verwaltungsstrafverfahren durch Erlässe und weitere Vorgaben zu vereinheitlichen.

Verwaltungsstrafenprogramm VStV für Umweltgesetze wenig anwenderfreundlich

VStV wurde ursprünglich für Verkehrsstrafen und damit für vereinfacht abzu­wickelnde Massenverfahren konzipiert. Das Programm ermöglicht eine Aktenführung vom Eingang der Anzeige über den Abschluss des Verwaltungsstrafverfahrens bis zur Abwicklung der Strafzahlung beziehungsweise zur Mahnung und Exekution. Für den Vollzug von Umweltgesetzen ist VStV wenig anwenderfreundlich, da hierbei mehrere Parteien Teil von inhaltlich komplexen Verfahren sein können. Darüber hinaus wurden in den beiden Ländern bei Verwaltungsverfahren an den BH noch weitere EDV­-Programme verwendet, die nicht durch automatisierte Schnittstellen miteinander verbunden waren. Bei Weiterentwicklung des Programms sollten die Besonderheiten solcher Verfahren sowie Schnittstellen technisch berücksichtigt werden. Unabhängig davon lieferte das Programm auch keine validen Daten, wie etwa zu Verjährungsfristen oder zu Verfahrensausgängen.

Risiko durch mangelhafte Deliktcodes

Für die Verwaltungsstraftatbestände der Bundes­ und Landes­-Materiengesetze besteht ein Tatbestandskatalog. Dieser enthält die sogenannten Deliktcodes, welche die VStV­-Anwenderinnen und ­-Anwender bei der Abwicklung von Verwaltungs­strafverfahren unterstützen sollen. Bei Verwendung dieser Codes werden in VStV bestimmte Felder automatisch vorausgefüllt und auch eine konkrete Strafhöhe vorgeschlagen. Die vorausgefüllten Felder können geändert werden. Alternativ kann auch ein Leercode verwendet werden, um die Felder manuell zu befüllen.
Die Deliktcodes sind ein wirksames Instrument für einen einheitlichen Vollzug. Deren Aktualität und Richtigkeit sind daher von hoher Bedeutung. Der Rechnungshof stellte bei den beiden Ländern fest, dass eine rechtliche Qualitätssicherung und ein Vier-­Augen­-Prinzip bei der Erstellung und Aktualisierung der Deliktcodes fehlten. Ebenso gab es keine Vorgaben für die Verwendung der Deliktcodes. Der Leercode­ Anteil war in Oberösterreich mit 39 Prozent mehr als doppelt so hoch wie in der Steiermark mit 17 Prozent.

Falsche Zweckwidmungen

Sechs der neun ausgewählten Materiengesetze sahen in ihren Strafbestimmungen spezifische Zweckwidmungen für die Strafgelder vor. Für Strafgelder ohne spezifische Zweckwidmung legte das Verwaltungsstrafgesetz die Empfänger oder Verwendungszwecke – wie etwa Sozialhilfeverbände – fest. Bei der Verwendung der Deliktcodes schlug VStV automatisch eine Widmung für die Strafgelder vor. Diese konnten jedoch auch abgeändert werden. Bei Verwendung des Leercodes mussten die Widmungen händisch eingegeben werden. Der Anteil der Umweltdelikte, bei denen für die vereinnahmten Strafgelder eine gesetzwidrige Zweckwidmung verwendet wurde, lag in der Steiermark bei 19 Prozent und in Oberösterreich bei 34 Prozent. Falsche Zweckwidmungen betrafen dabei vor allem Delikte, bei deren Verfolgung in VStV der Leercode verwendet wurde.
Aber auch bei der Verwendung von Deliktcodes überschrieben VStV­-Anwenderinnen und ­-Anwender vorgeschlagene Widmungen zugunsten falscher Strafgeldempfänger. Den gesetzlich vorgesehenen Empfängern entgingen damit Einnahmen für ihre Aufgabenerfüllung.

Deutlich unterschiedliche Anzahl an Umweltverwaltungsstrafverfahren in den Bezirken

Im überprüften Zeitraum wurde laut VStV in Oberösterreich die Verfolgung von rund 6.100 Umweltdelikten, in der Steiermark von rund 3.350 Umweltdelikten eingeleitet. Am häufigsten waren Delikte nach dem Abfallwirtschaftsgesetz, gefolgt vom Forstgesetz und vom Wasserrechtsgesetz. Die Anzahl der verfolgten Umweltdelikte je BH war sehr unterschiedlich: In Oberösterreich waren es je 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern zwischen zwölf und 114 Delikte und in der Steiermark zwischen 18 und 72 Delikte. Diese Zahlen konnten nach Ansicht des Rechnungshofes nicht allein auf unterschiedliche Rahmenbedingungen zurückgeführt werden. Eine unterdurchschnittliche Anzahl könnte auch auf fehlende Kontrollen oder auf die Nicht­-Einleitung von Strafverfahren hinweisen.

Presseinformation: Verwaltungs­strafen im Umweltbereich

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Umfang: 
98 Seiten

Bericht: Verwaltungs­strafen im Umweltbereich

Der Rechnungshof überprüfte von Mai bis Oktober 2023 Verwaltungsstrafen im Umweltbereich in den Ländern Oberösterreich und Steiermark. Er fokussierte dabei auf den Vollzug durch Bezirkshauptmannschaften mit besonderem Schwerpunkt auf die Bezirkshauptmannschaften Braunau und Gmunden in Oberösterreich sowie Bruck-Mürzzuschlag und Liezen in der Steiermark. Ergänzend fanden Erhebungen im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie sowie im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft statt. Ziel der Gebarungsüberprüfung war die Beurteilung der Organisation, der Aufgabenwahrnehmung und der Rahmenbedingungen für den Vollzug von Verwaltungsstrafverfahren unter dem Gesichtspunkt der Stärkung der Einheitlichkeit des Vollzugs. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2019 bis Mitte 2023. In Einzelfällen nahm der Rechnungshof auch Bezug auf Sachverhalte, die außerhalb dieses Zeitraums lagen.

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