31,30 Millionen Euro dotierter NÖ COVID-Hilfsfonds wenig ausgeschöpft

07. März 2025 – Rechnungshof bemängelt fehlende Abschätzung des Förderbedarfs

Geldschein zwischen Masken - Copyright: Foto: iStock/Sergii Zyskо

Der NÖ COVID-Hilfsfonds für Corona-Folgen wurde im Mai 2023 vom Niederösterreichischen Landtag beschlossen. Der Fonds zielt darauf ab, die negativen Auswirkungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie beziehungsweise den zur Pandemieeindämmung gesetzten Corona-Maßnahmen auszugleichen. Das Land Niederösterreich stattete ihn mit einem Budget von 31,30 Millionen Euro aus. Eine gesamthafte nachvollziehbare Bedarfsabschätzung zu dieser Summe lag nicht vor – wie der Rechnungshof in seinem heute veröffentlichten Bericht „NÖ COVID-Hilfsfonds für Corona-Folgen“ festhält. Bis Anfang Juni 2024 wurde lediglich zwölf Prozent des Fördervolumens ausbezahlt – eine volle Ausschöpfung ist bis Ende der Fondslaufzeit (31. August 2025) unwahrscheinlich. Die meisten – fast die Hälfte – der bisherigen Auszahlungen entfielen auf die Refundierung von psychologischen Behandlungskosten im Zusammenhang mit COVID-19. Weiters sind die Förderrichtlinien teils sehr allgemein gehalten und bieten einen weiten Auslegungsspielraum. Sie enthalten elf Fördertatbestände, darunter auch Ausgleichszahlungen für COVID-19-Strafgelder. Der Rechnungshof weist hierbei auf die rechtsstaatlich bedenkliche Signalwirkung der Rückerstattung rechtmäßig verhängter Verwaltungsstrafen hin. Der überprüfte Zeitraum reichte im Wesentlichen von März 2023 bis Ende Mai 2024.

Fördertatbestände in Richtlinien möglichst klar umschreiben

Der NÖ COVID-Hilfsfonds enthielt elf Fördertatbestände: COVID-19-Strafgelder; Anwaltskosten aufgrund dieser Strafgelder; COVID-19-Impfbeeinträchtigungen; Langzeitfolgen durch COVID-19-Erkrankung; psychologische sowie physiologische Behandlungskosten im Zusammenhang mit COVID-19; Nachhilfe, Freizeitaktivitäten für Kinder und Jugendliche; sonstige erforderliche Unterstützungen; Projekte von Vereinen für Kinder und Jugendliche und Projekte von Vereinen betreffend Beeinträchtigungen durch COVID-19. Mit Stand Anfang Juni 2024 zahlte der NÖ COVID-Hilfsfonds 3,63 Millionen Euro an rund 5.000 Personen und zwei Vereine aus.

Einige Vorgaben der Förderrichtlinien des NÖ COVID-Hilfsfonds zu den Fördertatbeständen führten in der Abwicklung zu erhöhtem Klärungsbedarf. So war etwa „Impfbeeinträchtigung“ in der Fachwelt kein gängiger Begriff und führte in der Praxis zu Auslegungsschwierigkeiten. Die Richtlinien zum Fördertatbestand „sonstige erforderliche Unterstützungen“ enthielten keine Anhaltspunkte, was als „besonders berücksichtigungswürdige[r]“ Grund galt. Für die Beurteilung dieses Kriteriums gab es einen weiten Auslegungsspielraum. Das Land Niederösterreich wartete daher mit der Abarbeitung von Fällen zu.

Weiters bestand bei der Abwicklung der gesundheitsbezogenen Fördertatbestände das Risiko von Überförderungen, da nicht systematisch ermittelt wurde, ob Kostenrückerstattungen durch Dritte, wie öffentliche Krankenversicherungsträger und private Versicherungen, vorlagen.

Fördervolumen ohne nachvollziehbare Grundlage festgelegt

Das Land Niederösterreich legte das Volumen des NÖ COVID-Hilfsfonds auf 31,30 Millionen Euro fest – jedoch ohne nachvollziehbare Grundlage. Die Mittel stammten aus dem regulären Budget des Landes Niederösterreich. Das Arbeitsübereinkommen und der dem Landtagsbeschluss zugrunde liegende Antrag enthielten nur Aussagen zu 1,30 Millionen Euro – vier Prozent des Fondsvolumens. Dieser Betrag ergab sich aus der geschätzten Summe aller dem Land zugeflossenen Strafgelder auf Basis von COVID-19-Bestimmungen. Eine nachvollziehbare Abschätzung zu den erforderlichen Mitteln für die anderen zehn Fördertatbestände lag nicht vor. Das Land Niederösterreich ermittelte somit vor Einrichtung des Fonds nicht den gesamten Förderbedarf.

Weiters verschaffte sich das Land keinen Überblick über bereits bestehende Einrichtungen und Unterstützungen mit vergleichbaren Zielsetzungen. Im Sinne eines effizienten öffentlichen Mitteleinsatzes sollten neue Förderungen erst nach eingehender Bedarfsprüfung eingeführt werden.

Rechtsstaatlich bedenkliche Signalwirkung

Der Verfassungsgerichtshof hatte Bestimmungen im Zusammenhang mit der Pandemie als verfassungs- beziehungsweise gesetzwidrig aufgehoben. Dies betraf hauptsächlich Betretungsverbote in verschiedenen Varianten. Vor diesem Hintergrund zahlte das Land Niederösterreich 156.736 Euro (Stand 31. Mai 2024) über den Fördertatbestand „COVID-19-Strafgelder“ aus. Die Förderungen beinhalteten den vollen Ausgleich der gezahlten Strafgelder, einschließlich etwaiger Verfahrens- und Anwaltskosten. Die nach damals gültiger Rechtslage verhängten Strafen wurden – wie in solchen Fällen üblich – nicht aufgehoben und sind daher rechtskräftig. Im Zuge der öffentlichen Diskussion über die Rückzahlung von COVID-19-Strafgeldern wiesen Juristen auf die dadurch entstehende problematische Signalwirkung hin. So würden Rückerstattungen von rechtmäßig verhängten Verwaltungsstrafen im Ergebnis rechtswidriges Verhalten begünstigen. Dadurch könnten Rechtsvorschriften in vergleichbaren künftigen Krisensituationen allgemein weniger akzeptiert werden.

Fehlende Anforderungen bei Vereinsprojekten

Der Rechnungshof hielt im Zusammenhang mit den Förderrichtlinien auch kritisch fest, dass an Vereinsprojekte – insbesondere solche für Personen mit COVID-19-Impfbeeinträchtigungen oder COVID-19-Langzeitfolgen – keine qualitativen oder quantitativen Anforderungen gestellt wurden. So fehlten hier in den Förderrichtlinien etwa die Festlegung inhaltlicher Schwerpunkte oder die mit einem Projekt mindestens zu erreichende Personenzahl.

Dies führte auch dazu, dass das Land Niederösterreich Förderungen für Veranstaltungen genehmigte, die in der Folge öffentlich kritisiert wurden. In Medienberichten wurden Vorwürfe erhoben, dass dort faktenwidrige Inhalte verbreitet worden seien.

Zudem konnten laut Förderrichtlinien maximal drei Projekte pro Verein gefördert werden. Das Land Niederösterreich bewilligte fünf Förderanträge von nahezu namensgleichen Vereinen desselben Vereinsobmanns mit wortgleichen Projektbeschreibungen. In der Folge stellten die Fachabteilung und der niederösterreichische Verfassungsdienst die Förderbarkeit dieser Vereine infrage.

Zuständigkeit bei Vereinsförderungen klar festlegen

Bei Vereinsförderungen war unklar, ob die Prüfung der inhaltlichen Fördervoraussetzungen von Vereinsprojekten durch die Fachabteilung oder durch das Büro des Landesrats erfolgte, zumal eine schriftliche Festlegung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten fehlte. Beide Stellen gingen davon aus, dass die jeweils andere Stelle die Prüfung vorzunehmen hatte. Aufgrund dieser unklaren Verantwortung startete das Land Niederösterreich seit Mitte Mai 2024 keine Genehmigungsprozesse für Vereinsförderungen mehr.

Der Rechnungshof empfiehlt dem Land Niederösterreich, die Verantwortung für die Prüfung der inhaltlichen Fördervoraussetzungen bei den Vereinsförderungen des NÖ COVID-Hilfsfonds klar festzulegen und den Entscheidungsprozess angemessen zu dokumentieren.

Presseinformation: NÖ COVID-Hilfsfonds für Corona-Folgen

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Umfang: 
84 Seiten

Bericht: NÖ COVID-Hilfsfonds für Corona-Folgen

Der Rechnungshof überprüfte von Jänner 2024 bis Mai 2024 im Land Niederösterreich den NÖ COVID-Hilfsfonds für Corona-Folgen. Ziel war, die Konzeption und Zielsetzung, die Gebarungsdimension und die Abwicklung der Fördermaßnahme darzustellen und zu beurteilen. Schwerpunktmäßig beschäftigte sich die Gebarungsüberprüfung mit

• den Zielen und Zielgruppen der Fördermaßnahme,
• der Konzeption der verschiedenen Fördertatbestände,
• dem Förderbudget,
• dem Umfang der Inanspruchnahme und
• dem Zuerkennungsprozess und der Kontrolle der Fördervoraussetzungen.

Der überprüfte Zeitraum reichte von März 2023 (Konzeption der Fördermaßnahme) bis Ende Mai 2024.

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