Gerichtsmedizin: Strategische Planung des Personals unerlässlich

25. Juli 2025 – Flächendeckendes Angebot von Gewaltambulanzen wesentlich

Obduktion - Copyright: Foto: iStock/andrei_r

Gerichtsmedizinische Leistungen, wie etwa Obduktionen, beauftragen im Rahmen der Strafrechtspflege hauptsächlich die Staatsanwaltschaften. Erbracht werden die Leistungen von gerichtsmedizinischen Instituten (GMI) der Medizinischen Universitäten Graz, Innsbruck und Wien, der Universität Salzburg und von Sachverständigen. In seinem heute veröffentlichten Bericht „Gerichtsmedizinische Leistungen in der Strafrechtspflege“ weist der Rechnungshof auf eine österreichweit geringe Zahl an Fachärztinnen und -ärzten für Gerichtsmedizin hin. Die GMI beschäftigten Anfang 2024 insgesamt 18 Fachärztinnen und -ärzte für Gerichtsmedizin, wobei die Hälfte von ihnen in den nächsten zehn Jahren das Pensionsalter erreichen wird. Auch das Durchschnittsalter der eingetragenen Sachverständigen für Gerichtsmedizin lag bei 62 Jahren und damit nahe am gesetzlichen Pensionsantrittsalter. Eine rechtzeitige und ganzheitliche (strategische) Planung des Personals erachtet der Rechnungshof als unerlässlich. Weitere Empfehlungen betreffen die Finanzierung der Gerichtsmedizin sowie die flächendeckende Einrichtung von Gewaltambulanzen. Der überprüfte Zeitraum umfasst die Jahre 2019 bis 2023.

Strategisches Personalmanagement fehlt

Zusätzlich zu den nahenden Ruheständen beziehungsweise Pensionierungen stehen die gerichtsmedizinischen Institute vor der Herausforderung, Stellen (nach)zu­besetzen, auch angesichts der langen Ausbildungsdauer von Gerichtsmedizinerinnen und -medizinern. Von Beginn des Studiums bis Abschluss der Facharztausbildung dauert die Ausbildung zumindest zwölf Jahre. Trotzdem hatte keines der Institute eine strategische Personalplanung angestellt. Daher empfiehlt der Rechnungshof den Medizinischen Universitäten Graz, Innsbruck und Wien und der Universität Salzburg, unter Einbindung des Wissenschaftsministeriums und des Justizministeriums den Personalbedarf strategisch zu planen. Abgestimmt werden sollte auch, wie sich eine qualitätsvolle Gerichtsmedizin zukunftssicher entwickeln soll, zum Beispiel betreffend Finanzierung, Ressourceneinsatz, Personalgewinnung, Leistung im Bereich Forschung und Lehre sowie im Auftrag Externer oder betreffend  Ausbildungsstruktur. Weiters empfiehlt der Rechnungshof den vier Universitäten, ausreichend Fachärztinnen und -ärzte aufzunehmen oder auszubilden, damit der Bedarf an qualitätsvollen gerichtsmedizinischen Leistungen österreichweit auch in Zukunft gedeckt werden kann. Ende 2022 waren österreichweit 27 Ärztinnen und Ärzte im Fachbereich der Gerichtsmedizin aktiv, an den GMI waren es – Anfang 2024 – 18.

Flächendeckende Einrichtung von Gewaltambulanzen

Gewaltambulanzen bieten kostenlos – unabhängig von Alter, Geschlecht und Herkunft sowie verfahrensunabhängig – gerichtsmedizinische Untersuchungen nach gewaltsamen Ereignissen an. Das Bundeskanzleramt, Sektion III „Frauenangelegenheiten und Gleichstellung“, das Innenministerium, das Justizministerium und das Gesundheitsministerium finanzierten einen Pilotbetrieb von Gewaltambulanzen an den GMI der Medizinischen Universitäten Graz und Wien. Die GMI Innsbruck und Salzburg planten bis zur Zeit der Rechnungshof-Prüfung keine Gewaltambulanzen nach dem Modell des Pilotbetriebs. Innsbruck verfolgte ein eigenes Konzept. Der Rechnungshof wertet – wie bereits in seinem Bericht „Gewalt- und Opferschutz für Frauen“ – die Einrichtung von Gewaltambulanzen als zweckmäßig, insbesondere im Hinblick auf eine effektive Strafverfolgung, Verfahrensbeschleunigung und den Opferschutz. Ein flächendeckendes, niederschwelliges Angebot, um Verletzungen beziehungsweise Spuren von Gewalt gerichtlich verwertbar dokumentieren lassen zu können, ist wesentlich, vor allem für Opfer häuslicher Gewalt. Daher empfiehlt der Rechnungshof dem Justizministerium, – in Abstimmung mit den anderen Ressorts, die an der Finanzierung des Pilotbetriebs von Gewaltambulanzen beteiligt sind – auszuloten, wie sich die GMI in Innsbruck und Salzburg sowie sonstige relevante Stellen am Pilotbetrieb beteiligen können.

Finanzierung soll überwiegend gerichtsmedizinischen Instituten zugute kommen

Betreffend Finanzierung der Gerichtsmedizin stellt der Rechnungshof fest: Die GMI erbringen einerseits Leistungen in den Kernbereichen Forschung und Lehre und andererseits gerichtsmedizinische Leistungen im Auftrag der Justiz. Diese Leistungen sind eng miteinander verknüpft. So zahlten das Wissenschaftsministerium (im Rahmen der Finanzierung der Universitäten) und Externe (insbesondere das Justizministerium für Sachverständigenaufträge der Staatsanwaltschaften und Gerichte) für die Leistungen von GMI und deren Bediensteten im überprüften Zeitraum 2019 bis 2023 in Summe mehr als 70 Millionen Euro. Die Zahlungen des Justizministeriums kamen nur zu weniger als einem Drittel den Universitäten beziehungsweise den GMI zugute, diese stellten aber die Ressourcen zur Verfügung, kritisiert der Rechnungshof. Beinahe zwei Drittel verblieben – zusätzlich zum laufenden Entgelt auch bei Leistungserbringung in der Dienstzeit – bei den Bediensteten der GMI beziehungsweise den Sachverständigen. Nach Ansicht des Rechnungshofes sollten die Zahlungen, die von der Justiz geleistet werden, vorrangig der zukunftssicheren und nachhaltigen Finanzierung der gerichtsmedizinischen Institute dienen. Gleichzeitig erachtet es der Rechnungshof als erforderlich, dass das Wissenschaftsministerium und Justizministerium gemeinsam eine zukunftssichere Finanzierung der GMI sicherstellen.

Dauer der Obduktionsergebnisse je nach beauftragter Stelle unterschiedlich

Eine Stichproben-Prüfung des Rechnungshofes ergab: Das GMI Graz übermittelte das schriftliche Obduktionsergebnis nach durchschnittlich 77 Tagen an die Staatsanwaltschaft, das GMI Wien benötigte dafür etwa doppelt so lang, durchschnittlich 152 Tage. Auch die Gutachten des Sachverständigen, der von den freiberuflich tätigen Sachverständigen im Einzugsgebiet des GMI Wien die meisten Obduktionen durchführte, lagen mit durchschnittlich 98 Tagen schneller vor. In diesem Zusammenhang hält der Rechnungshof fest, dass die Ausbildung von Fachärztinnen und -ärzten sowie die umfassende Qualitätssicherung bei den GMI einen zeitlichen Mehraufwand darstellten. Er empfiehlt aber dem GMI Wien, künftig die Zeiten der einzelnen Abschnitte von Aufträgen – seien es Obduktionen, toxikologische Untersuchungen oder andere – zu messen. Damit könnte das GMI Wien gezielt Maßnahmen setzen, um die Laufzeiten zu verkürzen.

Presseinformation: Gerichtsmedizinische Leistungen in der Strafrechtspflege

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114 Seiten

Bericht: Gerichtsmedizinische Leistungen in der Strafrechtspflege

Der Rechnungshof überprüfte von Jänner bis Mai 2024 beim Bundesministerium für Justiz, beim Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie bei den Medizinischen Universitäten Graz und Wien die Aufgaben der Gerichtsmedizin mit dem Fokus auf die Strafrechtspflege. Zu einzelnen Themen übermittelte der Rechnungshof Fragen auch an die Medizinische Universität Innsbruck und die Universität Salzburg. Ziel der Gebarungsüberprüfung war es insbesondere, die rechtlichen Grundlagen, die Organisation und Finanzierung, die Leistungen und den Ressourceneinsatz der Organisationseinheiten für Gerichtsmedizin sowie die Zusammenarbeit der Justiz mit der Gerichtsmedizin zu überprüfen und zu beurteilen. Der Fokus der Gebarungsüberprüfung lag auf den von den Staatsanwaltschaften beauftragten gerichtsmedizinischen Leistungen.
Im Hinblick auf die Bundesministeriengesetz-Novelle 2025 richtet der Rechnungshof seine Empfehlung, die aus Feststellungen zum Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung resultiert, an das nunmehr zuständige Bundesministerium für Frauen, Wissenschaft und Forschung.

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