Raumentwicklung und Flächeninanspruchnahme: Verbindliche Zielwerte fehlen

In seinem heute veröffentlichten Bericht „Österreichische Raumordnungskonferenz – Geschäftsstelle und Bodenstrategie“ mahnt der Rechnungshof eine „höhere Verbindlichkeit und Wirksamkeit der Zusammenarbeit in Fragen der Raumordnung und Raumentwicklung“ ein. Grundlagen zur Festlegung von Zielwerten zur Verringerung der zusätzlichen Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung seien „vordringlich“ zu erarbeiten. Die Österreichische Raumordnungskonferenz (ÖROK) ist ein Zusammenschluss von Bund, Ländern und Gemeinden; im Rahmen freiwilliger Kooperation und Koordination sollten raumordnende Maßnahmen intensiviert werden. Jedoch: Der Grundsatz der Freiwilligkeit führt zu Nachteilen und Schwächen in der Aufgabenwahrnehmung. Die ÖROK-Geschäftsstelle wickelte ihre Aufgaben im Wesentlichen ordnungsgemäß und zweckmäßig ab. Einsparungsmöglichkeiten sieht der Rechnungshof beim Bürostandort. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2018 bis 2023.
Für die Raumordnung bestehen in Österreich Zuständigkeiten auf allen drei Gebietskörperschaftsebenen (Bund, Länder, Gemeinden). Daraus ergibt sich ein hoher Koordinationsaufwand. Die ÖROK wurde 1971 von Bund, Ländern und Gemeinden – vertreten durch den Österreichischen Städtebund und den Österreichischen Gemeindebund – „als permanentes gemeinsames Organ“ gegründet. Mit dem Ziel: Raumordnende Maßnahmen zu intensivieren und insbesondere ein koordiniertes Raumordnungskonzept („Österreichisches Raumentwicklungskonzept“ ÖREK) zu erstellen und fortzuführen. Die Bundeskanzlerin/der Bundeskanzler, alle Bundesministerinnen/Bundesminister, die Landeshauptleute und je zwei Vertreterinnen beziehungsweise Vertreter des Österreichischen Städtebundes und des Österreichischen Gemeindebundes sowie Interessenvertretungen bilden die politische Konferenz der ÖROK. Die ÖROK-Geschäftsstelle übernimmt operative Aufgaben. Seit 2024 ist die Zusammenarbeit auf Verwaltungsebene im Verein ÖROK organisiert.
Umsetzung des Raumentwicklungskonzeptes ÖREK nicht verpflichtend
Etwa alle zehn Jahre erstellen die ÖROK-Mitglieder das ÖREK. Beim ÖREK handelt es sich um ein freiwilliges Übereinkommen, das als „strategisches Steuerungsinstrument für die gesamtstaatliche Raumordnung und Raumentwicklung“ angelegt ist. Seine Umsetzung ist jedoch nicht verpflichtend. Der Grundsatz der Freiwilligkeit führt aber zu einer Reihe von Nachteilen und Schwächen in der Aufgabenwahrnehmung. Mangels eines systematischen Monitorings war der Stand der Umsetzung von Maßnahmen im Sinne dieser Raumentwicklungskonzepte nicht bekannt. Unabhängig davon war offensichtlich, dass die Umsetzung zahlreicher Maßnahmen offenblieb. Der Rechnungshof empfiehlt für das aktuelle ÖREK 2030, klare Prioritäten zur verbindlichen Bearbeitung gemeinsam beschlossener Handlungsaufträge festzulegen.
Bodenstrategie: Schwächen in der Zusammenarbeit
Schwächen in der Zusammenarbeit innerhalb der ÖROK zeigen sich insbesondere auch am Beispiel des ab 2021 erarbeiteten Entwurfs der Bodenstrategie, die den Weg zu einer „substanziellen“ Reduktion der zusätzlichen Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung durch Siedlungs- und Verkehrsflächen bis 2030 aufzeigen sollte: Zum seit über 20 Jahren kommunizierten Zielwert des Bundes von 2,5 Hektar pro Tag blieb auch im Rahmen des ÖREK 2030-Umsetzungspakts zur Bodenstrategie unklar, ob sich dieser auf die zusätzliche Flächeninanspruchnahme oder Bodenversiegelung bezog. Zudem war dieser Zielwert weder fundiert begründet noch fundiert methodisch hergeleitet. Weil keine Einigung der ÖREK-Mitglieder zustande kam, konnte Österreich auch dem Ziel gemäß der „EU-Bodenstrategie für 2030“, bis 2023 „eigene ehrgeizige nationale, regionale und lokale Ziele zur Verringerung des Netto-Flächenverbrauchs bis 2030“ festzulegen, nicht nachkommen.
Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung: Zielwerte zum Beschluss vorlegen
Der Rechnungshof empfiehlt dem Verein ÖROK, umgehend die erforderlichen fachlichen Grundlagen und Methoden für die Festlegung quantitativer Zielwerte beziehungsweise Flächenkontingente zur Verringerung der zusätzlichen Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung und deren Aufteilung gemäß dem Aktionsplan zum Entwurf der Bodenstrategie zu erarbeiten. In weiterer Folge sollte der Verein ÖROK zeitnah verbindliche quantitative Zielwerte – etwa für Neuwidmungen – und ihre Aufteilung vorschlagen und gemeinsam mit einem überarbeiteten Entwurf der Bodenstrategie der politischen Konferenz der ÖROK zum Beschluss vorlegen.
Höhere Verbindlichkeit erforderlich
Angesichts der aktuellen Herausforderungen – insbesondere im Zusammenhang mit dem Klimaschutz, der Energiewende, dem Schutz natürlicher Lebensräume und der Versorgung einer wachsenden Bevölkerung – sind eine höhere Verbindlichkeit und Wirksamkeit der Zusammenarbeit in Fragen der Raumordnung und Raumentwicklung sowie eine Quantifizierung von Zielen erforderlich.
Zudem bekräftigt der Rechnungshof seine bereits in vorangegangenen Berichten ausgesprochene Empfehlung, eine verfassungsrechtliche Grundlage für eine Raumordnungsrahmenkompetenz des Bundes zu erarbeiten und voranzutreiben.
Einsparungsmöglichkeiten beim Bürostandort
Infolge der Übertragung der Zuständigkeiten vom Bundeskanzleramt zum Landwirtschaftsministerium Anfang 2018 wurde es für die ÖROK-Geschäftsstelle erforderlich, ihren Standort zu wechseln. Es wurde ein Objekt am Standort Fleischmarkt im ersten Wiener Gemeindebezirk angemietet – 2023 lag der Mietzins inklusive Betriebskosten bei rund 618.000 Euro für 1.549 Quadratmeter. Der Rechnungshof kritisiert, dass das Landwirtschaftsministerium keine Standortvarianten anhand objektiver und nachvollziehbarer Auswahlkriterien verglich. Eine sparsame Mittelverwendung hätte vertieft geprüft werden müssen. Nach dem siebenjährigen Kündigungsverzicht wären Einsparungspotenziale beziehungsweise alternative Bürostandorte zu prüfen.
Presseinformation: Österreichische Raumordnungskonferenz – Geschäftsstelle und Bodenstrategie
- pdf Datei:
- 4,370.2 KB
- Umfang:
- 110 Seiten
Bericht: Österreichische Raumordnungskonferenz – Geschäftsstelle und Bodenstrategie
Der Rechnungshof überprüfte von November 2023 bis April 2024 im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft und bei der Geschäftsstelle der Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK) die Gebarung der ÖROK mit Schwerpunkt Koordinierung der Raumentwicklung. Ziel der Gebarungsüberprüfung war es,
• die wesentlichen Rechtsgrundlagen,
• Aufgaben, Organisation und Personalwesen,
• Finanzierung, Mittelverwendung und Auftragsvergaben der ÖROK sowie
• die Koordinierung ausgewählter Aspekte der Raumentwicklung mit dem Schwerpunkt Bodenstrategie darzustellen und zu beurteilen. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2018 bis 2023.