Rechnungshof zeigt großes Ausmaß an Lebensmittelverschwendung auf
790.790 Tonnen an vermeidbaren Lebensmittelabfällen fallen in Österreich jährlich an. Auf diese Zahl kommt der Rechnungshof zumindest mit jenen Daten, die er im Zuge seiner Prüfung „Verringerung der Lebensmittelverschwendung – Umsetzung des Unterziels 12.3 der Agenda 2030“ eruieren konnte. Fakt ist: Aktuelle, systematisch und umfassend erhobene Zahlen durch das Klimaschutzministerium (BMK) über das tatsächliche Ausmaß der Lebensmittelverschwendung fehlen hierzulande. Daher wird es auch nicht möglich sein, zu beurteilen, ob Österreich das Ziel für nachhaltige Entwicklung erreichen wird, bis 2030 die Lebensmittelverschwendung pro Kopf zu halbieren. Darauf hatten sich im Jahr 2015 im Rahmen der Agenda 2030 die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen geeinigt.
Nur „näherungsweiser Überblick“ über Lebensmittelverschwendung
Von jenen 790.790 Tonnen an vermeidbaren Lebensmittelabfällen, die in Österreich jährlich anfallen, tragen die Haushalte mit 206.990 Tonnen den höchsten Anteil. In der Außer-Haus-Verpflegung landen 175.000 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle im Müll. Der Handel verursacht mit 120.000 Tonnen die geringsten vermeidbaren Lebensmittelabfälle aller Sektoren. Diese Zahlen bieten jedoch nur einen „näherungsweisen Überblick“, heißt es im Bericht. Denn: Die Daten wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten erhoben – jene zum privaten Sektor beispielsweise im Jahr 2012, jene zur Außer-Haus-Verpflegung im Jahr 2015.
Das BMK führte im überprüften Zeitraum 2016 bis 2019 keine regelmäßigen Datenerhebungen zur Lebensmittelverschwendung für alle Sektoren der Lebensmittelkette durch. Der Rechnungshof empfiehlt dem BMK, in regelmäßigen Abständen in Einklang mit den EU-Vorgaben Daten zu den vermeidbaren Lebensmittelabfällen entlang der gesamten Lebensmittelkette zu erheben.
Nicht messbar, ob Nachhaltigkeitsziel erreicht wird
„Bis 2030 die weltweite Lebensmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene halbieren und die entlang der Produktions- und Lieferkette entstehenden Lebensmittelverluste einschließlich Nachernteverlusten verringern“, lautet das Unterziel 12.3 für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goal (SDG)). Nach Ansicht des Rechnungshofes wird es im Jahr 2030 hierzulande mangels valider Ausgangsdaten nicht möglich sein, zu beurteilen, ob dieses Ziel erreicht wurde. Der Rechnungshof hält außerdem fest, dass es auf globaler Ebene und bis zum Jahr 2019 auf Ebene der EU keine Methodik und keine Mindestqualitätsanforderungen für eine einheitliche Messung der Lebensmittelverschwendung gab.
Weitergabe von Lebensmitteln an soziale Einrichtungen
Gemäß Regierungsprogramm 2020–2024 soll es für den Lebensmitteleinzelhandel verboten werden, genusstaugliche Lebensmittel zu entsorgen. Das derzeit in Österreich praktizierte und auf Freiwilligkeit basierende Kooperationsmodell funktioniert laut BMK sowie Vertreterinnen und Vertretern sozialer Einrichtungen gut. 2017 wurden vom Einzelhandel mit 12.250 Tonnen doppelt so viele Lebensmittel an soziale Einrichtungen weitergegeben wie im Jahr 2013. Für den Fall eines gesetzlichen Verbots der Entsorgung von genusstauglichen Lebensmitteln aus dem Lebensmitteleinzelhandel äußerten die sozialen Einrichtungen wiederholt Bedenken: in Hinblick auf die Gewährleistung finanzieller und personeller Ressourcen sowie ausreichender Kühlungs-, Lager- und Verteilungskapazitäten. Der Rechnungshof empfiehlt dem BMK, im Falle einer gesetzlichen Verpflichtung der Lebensmittelunternehmen, Lebensmittel an soziale Einrichtungen zu spenden, auch die notwendigen infrastrukturellen, logistischen und finanziellen Rahmenbedingungen mitzubedenken.
Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung nötig
Zur nationalen Umsetzung der Agenda 2030 legte die Bundesregierung im Jänner 2016 fest, dass die Ministerien die nachhaltigen Entwicklungsziele in ihre relevanten Strategien und Programme integrieren und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen und Aktionspläne ausarbeiten sollten. Laut BMK dienten als Strategien das Aktionsprogramm „Lebensmittel sind kostbar!“ sowie das Abfallvermeidungsprogramm. Jedoch: Im Aktionsprogramm wurden überwiegend operationelle Maßnahmen gesetzt – etwa die Ausschreibung des „VIKTUALIA–Awards“ oder die Abhaltung von Kochworkshops. Der Rechnungshof vermisst allerdings eine umfassende Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung. Zudem fokussieren beide Programme überwiegend auf die Sektoren Handel, Außer-Haus-Verpflegung und privater Konsum.
Der Rechnungshof empfiehlt dem BMK: In Abstimmung mit dem Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus sowie dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eine Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung zu erarbeiten. Dabei wären alle Sektoren der Lebensmittelkette einzubeziehen – also auch Landwirtschaft und Produktion.
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Bericht: Verringerung der Lebensmittelverschwendung – Umsetzung des Unterziels 12.3 der Agenda 2030
Der RH überprüfte von Jänner bis Mai 2020 die Umsetzung des Unterziels 12.3 der Agenda 2030 – die Verringerung der Lebensmittelverschwendung. Ziel der Gebarungsüberprüfung war insbesondere eine Beurteilung der rechtlichen Rahmenbedingungen, der Zuständigkeiten, Strategien und Maßnahmen, der Kooperationen sowie des Berichtswesens hinsichtlich der Umsetzung der verringerten Lebensmittelverschwendung. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2016 bis 2019.