ASFINAG und ÖBB: Mängel bei Korruptionsprävention und Auftragsvergaben

25.03.2022 – Häufige Fehler bei Auftragswertermittlung und bei der Wahl des Vergabeverfahrens

Zahl der Angebote für öffentliche Aufträge sank von 2015 bis 2019 - Copyright:

Der Rechnungshof analysierte die Daten zu Auftragsvergaben der ASFINAG Bau Management GmbH und der ÖBB-Infrastruktur Aktiengesellschaft in der Zeit von Jänner 2016 bis Mai 2019. Der Gesamtwert: 5,305 Milliarden Euro. Von 22 überprüften Vergaben wurde in 13 Fällen gegen das Bundesvergabegesetz verstoßen. Verbesserungspotenzial gab es außerdem bei der Korruptionsprävention. Und: Um möglichen unlauteren Geschäftspraktiken der Auftragnehmer, wie etwa Preisabsprachen und Gebietsaufteilungen entgegenzuwirken, sollten Auftraggeber ein besonderes Augenmerk auf die Prüfung der Angebote legen.

Die Prüfung ist auf ein Ersuchen des damaligen Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie, Andreas Reichhardt, zurückzuführen.

Fehler bei Auftragswertermittlung und bei der Wahl des Vergabeverfahrens

Von Jänner 2016 bis inklusive Mai 2019 vergab die ASFINAG Bau Management GmbH Aufträge in der Höhe von insgesamt 2,609 Milliarden Euro. Bei der ÖBB-Infrastruktur AG waren es 2,696 Milliarden Euro. 22 Vergabefälle mit einem Auftragsvolumen von insgesamt 281,27 Millionen Euro nahmen die Prüferinnen und Prüfer des Rechnungshofes genauer unter die Lupe. Dabei stellten sie 13 Verstöße gegen das Bundesvergabegesetz fest – vor allem bei der Ermittlung des Auftragswerts und bei der Wahl des Vergabeverfahrens.

Darüber hinaus stellten die Prüferinnen und Prüfer weitere Mängel fest. Die überwiegende Anzahl dieser Mängel ist darauf zurückzuführen, dass interne Regelwerke nicht eingehalten wurden. Der Rechnungshof empfiehlt der ASFINAG Bau Management GmbH und der ÖBB-Infrastruktur AG, verstärkt auf die Einhaltung der internen Regelwerke zu achten. So kann bei Auftragsvergaben ein höheres Maß an Transparenz und Nachvollziehbarkeit gewährleistet werden.

Der Prozess zur Vergabe von Bauleistungen war in beiden Konzernen umfangreich schriftlich geregelt. Sie nutzten elektronische Vergabeplattformen, was der Rechnungshof im Sinne der Transparenz und Nachvollziehbarkeit positiv wertet. Allerdings hatte die ASFINAG Bau Management GmbH sieben Prozent des Bauauftragsvolumens nicht oder nur teilweise über die Vergabeplattformen abgewickelt. Bei der ÖBB-Infrastruktur AG lag dieser Wert gar bei 23 Prozent. Mängel zeigten sich auch bei den eingegebenen Daten zu Vergabeverfahren.

Wettbewerbssituation verschlechterte sich für öffentliche Auftraggeber

Während die Umsätze im Bausektor zunahmen, sank die Bereitschaft der Unternehmen, an öffentlichen Vergabeverfahren teilzunehmen. Das führte unter anderem zu höheren Baupreisen. Im Zeitraum 2011 bis 2019 sank die durchschnittliche Anzahl der abgegebenen Angebote je Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung. Dies verschlechterte aus Sicht der Auftraggeber die Wettbewerbssituation.
Sowohl bei der ASFINAG Bau Management GmbH als auch bei der ÖBB-Infrastruktur AG entfielen jeweils auf die zehn größten Unternehmen und Unternehmensgruppen 79 Prozent beziehungsweise 59 Prozent der Bauaufträge gemessen am Auftragswert.

Unlauteren Geschäftspraktiken entgegenwirken

Finanzielle Nachteile können dem Bund, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden sowie öffentlichen Unternehmen auch durch Preisabsprachen entstehen. Inwiefern die Vergabeverfahren der öffentlichen Bauherren durch allfällige Preisabsprachen zwischen den Auftragnehmern beeinflusst waren, konnte der Rechnungshof mangels Zuständigkeit für private Auftragnehmer nicht feststellen.
Dennoch bekräftigt der Rechnungshof nachdrücklich die Notwendigkeit, unlauteren Geschäftspraktiken mit einem Bündel von Maßnahmen seitens der öffentlichen Auftraggeber entgegenzuwirken. Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Angebotsprüfung gelegt werden, um dadurch die Plausibilität der Preiskalkulation beurteilen sowie Auffälligkeiten hinsichtlich Preisabsprachen erkennen zu können.
Im Oktober 2021 verhängte das Kartellgericht gegen einen österreichischen Baukonzern eine Geldbuße von 45,37 Millionen Euro. Ein weiterer österreichischer Baukonzern gab – laut Mitteilung der Bundeswettbewerbsbehörde vom September 2021 – ein Anerkenntnis zur Zahlung einer Geldbuße von 62,35 Millionen Euro wegen Absprachen in der Bauwirtschaft ab.
Der Rechnungshof empfiehlt der ASFINAG Bau Management GmbH und der ÖBB-Infrastruktur AG unter Abwägung des Prozessrisikos Schadenersatzansprüche gegen die betroffenen Unternehmen geltend zu machen.

Korruptionsprävention verbessern

Die ASFINAG Bau Management GmbH und die ÖBB-Infrastruktur AG müssen bei Auftragsvergaben von Bauleistungen dafür sorgen, dass die gesetzlichen und unternehmensinternen Vorschriften zur Vergabe, aber auch zur Korruptionsprävention eingehalten werden. Die ASFINAG und die ASFINAG Bau Management GmbH sowie die ÖBB-Holding AG und die ÖBB-Infrastruktur AG verfügen weitgehend über die wesentlichen Komponenten eines Compliance Management Systems. Dennoch gab es Verbesserungsmöglichkeiten: So hatte die ASFINAG keinen Verhaltenskodex. Und es war auch nicht vorgesehen, dass Bedienstete Compliance-Regelungen ausdrücklich zur Kenntnis nehmen müssen.


Der ÖBB-Holding AG empfiehlt der Rechnungshof, ein elektronisches Hinweisgeber-System, das auch anonyme Meldungen zulässt, einzurichten. Zur Zeit der Prüfung konnten externe sowie interne Personen Hinweise zu Compliance-Verstößen nur dann anonym melden, wenn sie selbst über einen anonymisierten E-Mail-Account verfügten. Dies könnte die Weitergabe von Hinweisen erschweren. Und: Das Compliance Management System wäre entsprechend internationalen Standards regelmäßig extern und auch intern durch die Konzernrevision zu prüfen.


Die Prüferinnen und Prüfer des Rechnungshofes würdigen, dass beide Konzerne noch während der Prüfung Empfehlungen des Rechnungshofes betreffend Compliance und Auftragsvergaben umsetzten.


Presseinformation: Auftragsvergaben von Bauleistungen durch die ASFINAG und die ÖBB

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158 Seiten

Bericht: Auftragsvergaben von Bauleistungen durch die ASFINAG und die ÖBB

Der Rechnungshof überprüfte die Vergabe von Bauaufträgen und den Bereich Compliance der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft sowie ihres Tochterunternehmens ASFINAG Bau Management GmbH. Die Gebarungsüber­prüfung erfolgte gemäß Art. 126b Abs. 4 letzter Satz Bundes–Verfassungsgesetz aufgrund eines Ersuchens des damaligen Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie, Mag. Andreas Reichhardt. Der RH erweiterte die Gebarungsüber-prüfung auch auf die Österreichische Bundesbahnen-Holding Aktiengesellschaft und ihre Tochterunternehmen ÖBB–Business Competence Center GmbH sowie ÖBB-Infrastruktur Aktiengesellschaft.

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