Österreichische Bundesfinanzierungsagentur sollte ihre Stresstests anpassen

24.06.2022 – Im Jahr 2020 führte die COVID-19-Pandemie zu einem sprunghaften Anstieg der Finanzierungen auf 57,820 Milliarden Euro

Die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur ist im Auftrag des Finanzministeriums für das Schuldenmanagement der Republik Österreich zuständig. Im Zuge der COVID-19-Pandemie stieg der Finanzierungsbedarf des Bundes sprunghaft von 26,297 Milliarden Euro im Jahr 2019 auf 57,820 Milliarden Euro im Jahr 2020. Die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur musste daher verstärkt am Geld- und Kapitalmarkt tätig werden.

Im heute vorgelegten Bericht „Österreichische Bundesfinanzierungsagentur: Risikomanagement und Finanzierung von Rechtsträgern und Ländern“ empfiehlt der Rechnungshof, die Limithöhe zur Begrenzung des Zinszahlungsrisikos sowie die Konzeption der Stresstests zu überprüfen und bei Bedarf zu aktualisieren. Positiv wertet er unter anderem, dass sich die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur gegen einen Anstieg der Zinsen für das Finanzschuldenportfolio langfristig absicherte. Überprüft wurden im Wesentlichen die Jahre 2016 bis 2020.

Die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur hat im Auftrag des Finanzministers im Namen und auf Rechnung des Bundes das Schuldenmanagement der Republik Österreich durchzuführen. Dazu zählen die Aufnahme von Finanzschulden, das Schulden-Portfoliomanagement, die zentrale Kassenführung sowie Tätigkeiten für Rechtsträger und Länder. Finanzierungsmittel und die daraus resultierenden Rückzahlungsverpflichtungen muss sie zu möglichst geringen Finanzierungskosten und ohne hohes Risiko sicherstellen. Zu den Finanzgeschäften der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur zählen die Ausgabe von Anleihen der Republik Österreich sowie von Bundesschatzscheinen, Käufe und Verkäufe von Wertpapieren der Republik Österreich, die Aufnahme von Darlehen, Zinsen- oder Währungsswaps sowie Veranlagungen.

Finanzierungsbedarf sprunghaft angestiegen

Infolge der COVID-19-Pandemie stiegen die bereinigten Finanzschulden des Bundes bis Ende 2020 auf fast 238 Milliarden Euro. In den Jahren 2016 bis 2019 lagen die Finanzierungen für den Bund, deren Tilgung nicht im Jahr der Aufnahme erfolgte, jährlich zwischen 23,212 Milliarden Euro (2018) und 29,891 Milliarden Euro (2017). Im Jahr 2020 führte die COVID-19-Pandemie zu einem sprunghaften Anstieg auf 57,820 Milliarden Euro. Die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur deckte den Finanzierungsbedarf des Bundes überwiegend mit Anleihen. Diese waren im Jahr 2020 mit 37,047 Milliarden Euro beinahe doppelt so hoch wie 2019 mit 19,090 Milliarden Euro. Auch die Höhe der Bundesschatzscheine stieg 2020 gegenüber 2019 um mehr als 200 Prozent von 5,717 Milliarden Euro auf 18,912 Milliarden Euro.

Stresstest an aktuelle Erfahrungen anpassen

Im Rahmen von Stresstests analysiert die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur quartalsweise die Risiken unter Stress- und Krisenbedingungen und ihre Auswirkung auf die Zinsbelastung. Seit seiner Einführung im Jahr 2012 wurde die Konzeption des Stresstests nicht überprüft. Die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur sollte die Konzeption ihrer Stresstests in regelmäßigen Abständen auf einen Änderungsbedarf hin überprüfen und dabei auch ihre Erfahrungen aus aktuellen Ereignissen – wie der COVID-19-Pandemie – einfließen lassen, so die Empfehlung des Rechnungshofes. Der Rechnungshof stellt zudem kritisch fest, dass die Ergebnisse der Stresstests in den Controllingberichten an den Aufsichtsrat hinsichtlich eines möglichen Handlungsbedarfs nicht erläutert waren.

Schutz vor Anstieg der Zinsen

Die Effektivverzinsung des Finanzschuldenportfolios des Bundes sank von 2016 bis 2020 aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kontinuierlich von 2,7 Prozent auf 1,5 Prozent. Im Vergleich zu anderen Staaten der Eurozone hat das von der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur verwaltete Finanzschuldenportfolio die längsten durchschnittlichen Restlaufzeiten und Zinsfixierungszeiträume. Unter anderem sicherte sich die Agentur mit dem hohen Fixzinsanteil vor einem Anstieg der Zinsen längerfristig ab.

Zu hohe Limite

Mit den im Rahmen des öffentlichen Schuldenmanagements durchgeführten Finanzgeschäften sind zahlreiche Risiken verbunden. Die in der Marktrisikorichtlinie definierten Limite zur Begrenzung des Zinszahlungsrisikos wurden seit ihrer Einführung im Jahr 2013 nicht überschritten. Nur dreimal waren sie zu mehr als 80 Prozent ausgeschöpft. Folglich wurden auch etwaige Steuerungsmaßnahmen zur Senkung des Zinszahlungsrisikos nicht ausgelöst. Darin sieht der Rechnungshof ein Indiz dafür, dass die Limite zu hoch angesetzt sind. Zu hohe Limite können dazu führen, dass Risiken spät erkannt werden. Der Rechnungshof stellt kritisch fest, dass die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur die Marktrisikorichtlinie im überprüften Zeitraum nicht aktualisiert hatte. Sie sollte daher die Aktualisierung der Marktrisikorichtlinie möglichst zeitnah abschließen. Dabei wären die bestehenden Limite und deren Höhe zur Begrenzung des Zinszahlungsrisikos auf Angemessenheit zu überprüfen und entsprechend anzupassen.

Kreditrisiko wurde begrenzt

Positiv wertet der Rechnungshof, dass die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur das Kreditrisiko im Hinblick auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie begrenzte, indem sie keine unbesicherten Kreditrisiken aus Veranlagungen mehr einging. Weitere zeitverzögerte Auswirkungen der Pandemie auf das Kreditrisiko des Bundes waren jedoch nicht auszuschließen.

Finanzierungsvorteil für die Länder und Rechtsträger

Der Rechnungshof hält fest, dass nach den Berechnungen der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur die Finanzierungskosten der zwischen dem Bund und den Rechtsträgern und Ländern in den Jahren 2016 bis 2020 abgeschlossenen Darlehen im Vergleich zu Eigenbegebungen um über zwei Milliarden Euro niedriger waren. Dieser Finanzierungsvorteil für die Rechtsträger und Länder ergibt sich aus der Weiterverrechnung der Konditionen der Refinanzierungsgeschäfte des Bundes, die aufgrund des hohen Finanzierungsvolumens des Bundes und des Ratings der Republik Österreich vorteilhaft sind.


Presseinformation: Österreichische Bundesfinanzierungsagentur: Risikomanagement und Finanzierung von Rechtsträgern und Ländern


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Umfang: 
128 Seiten

Bericht: Österreichische Bundesfinanzierungsagentur: Risikomanagement und Finanzierung von Rechtsträgern und Länder

Der RH überprüfte von März bis Juni 2021 die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur. Prüfungsziel war es, das Risikomanagement der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur zu beurteilen, vor allem das Management des Marktrisikos, des Liquiditätsrisikos, des Kreditrisikos, des operationellen Risikos, des Rechtsrisikos und des Reputationsrisikos. Der RH beurteilte auch die Finanzierung von Rechts­trägern und Ländern durch die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2016 bis 2020, wobei der RH auch relevante Entwicklungen des ersten Halbjahres 2021 berücksichtigte.

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