Sonderprüfung: Asylbetreuungseinrichtungen des Bundes
Heute veröffentlichte der Rechnungshof die Sonderprüfung „Asylbetreuungseinrichtungen des Bundes“. Abgeordnete des Nationalrates wollten 29 Fragen beantwortet wissen. Das Prüfungsverlangen der Abgeordneten Kickl, Zanger und weiterer Abgeordneter betrifft unter anderem rechtliche, organisatorische, finanzielle und personelle Maßnahmen der Grundversorgung sowie die Verträge der Betreuungseinrichtungen. Der überprüfte Zeitraum umfasst entsprechend dem Verlangen die Jahre 2013 bis 2017. Aus Gründen der Aktualität erweiterte der Rechnungshof den Zeitraum bis 2020.
Ministerium musste Kapazitäten aufbauen
Aufgabe des Innenministeriums ist, die Erstaufnahme von Asylwerbenden sicherzustellen. Der Bund hat die Grundversorgung von Asylwerbenden in seinen Betreuungseinrichtungen so lange zu gewährleisten, bis im Zulassungsverfahren geklärt wird, ob Österreich für das Asylverfahren zuständig ist. Erst danach können Asylwerbende zur Grundversorgung den Ländern zugewiesen werden. Prinzipiell sind die Anforderungen an die Bundesbetreuung höher als an die Landesbetreuung, da die Aufnahme von Schutzsuchenden jederzeit möglich sein muss.
Von 2013 bis Mitte 2014 war das Innenministerium mit den bis dahin vorhandenen Einrichtungen in der Lage, die Bundesbetreuung bedarfsgerecht durchzuführen. Wegen der stark steigenden Asylantragszahlen, fehlenden eigenen Reserven und fehlenden Unterbringungsmöglichkeiten in den Ländern musste es vor allem im Zuge der Migrationskrise 2015/16 dringend weitere Kapazitäten aufbauen.
Wie der Rechnungshof bereits in seiner Gebarungsüberprüfung „Assistenz- und Unterstützungsleistungen des Bundesheeres zum Grenzmanagement“ aus dem Jahr 2020 ausgeführt hatte, kamen von September 2015 bis Februar 2016 durchschnittlich 131.500 Geflüchtete pro Monat in Österreich an. Weil zusätzliche Betreuungseinrichtungen geschaffen und Notunterkünfte kurzfristig bereitgestellt wurden, gelang es, Obdachlosigkeit bei Asylwerbenden zu verhindern. Aber: Es konnte nicht immer die für das Innenministerium wirtschaftlich und rechtlich beste Lösung erzielt werden. Vor allem am Höhepunkt der Migrationskrise 2015/16 befand sich das Innenministerium in einer Zwangslage, die seine Verhandlungsposition schwächte und den Druck, Vertragsabschlüsse zeitnah zu erzielen, verstärkte.
Mietverträge nachverhandeln
Seit 2013 hatte das Innenministerium 37 Verträge im Zusammenhang mit der Eröffnung neuer Betreuungseinrichtungen des Bundes abgeschlossen, überwiegend mit privaten Vertragspartnern. Von diesen Einrichtungen wurden im Dezember 2020 sieben aktiv genutzt; drei davon wurden im Zuge der COVID-19-Pandemie reaktiviert. 19 waren geschlossen und die jeweiligen Verträge beendet. Elf Betreuungseinrichtungen waren im Dezember 2020 bei aufrechtem Vertragsverhältnis stillgelegt; drei davon nutzte das Innenministerium als Depot.
Kritisch hält der Rechnungshof fest, dass das Innenministerium an einzelne Mietverträge langfristig bis zu 15 Jahre gebunden ist, was zu hohen finanziellen Vorbelastungen führte. Und: Die Möglichkeiten sind eingeschränkt, auf geänderte Rahmenbedingungen flexibel zu reagieren. Der Rechnungshof empfiehlt: Die Mietverträge zu den Betreuungseinrichtungen zu evaluieren, nach Möglichkeit nachzuverhandeln und anzupassen, um nachteilige Folgen zu minimieren.
Strategie für effizientes Krisenmanagement entwickeln
Die Prüferinnen und Prüfer des Rechnungshofes halten ebenfalls kritisch fest, dass das Innenministerium keinen Prozess für Krisensituationen, in denen die Asylantragszahlen innerhalb kurzer Zeit stark ansteigen, festlegte und dafür strategisch auch keine Vorsorge traf. Es konnte daher nur kurzfristig auf den gestiegenen Unterbringungsbedarf reagieren.
Während der Migrationskrise 2015/16 waren unterschiedliche Organisationseinheiten des Innenministeriums für die Suche und Eignungsprüfung von Objekten eingesetzt. Zuständigkeiten waren nicht klar geregelt. Eine geeignete Strategie wäre zu entwickeln: Sowohl für ein effizientes Krisenmanagement als auch für die Beschaffung von Unterbringungskapazitäten.
Vorsorge für künftige Entwicklungen treffen
Aus Sicht des Rechnungshofes ist es – im Hinblick auf die in der Grundversorgungsvereinbarung festgelegten Aufgaben des Bundes – unverzichtbar, dass das Innenministerium angemessene Vorsorge für die Bewältigung von gegebenenfalls wieder steigenden Asylantragszahlen trifft. Das Innenministerium verfügte zwar über Daten zu Asyl, Fremdenwesen und Grundversorgung; eine strukturierte und umfassende Abschätzung der benötigten Kapazitäten war jedoch nicht vorhanden.
Ein ganzheitliches, von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen getragenes und auf die jeweiligen Zielgruppen und die Aufenthaltsdauer abgestimmtes Konzept zur Bereithaltung von Vorsorgekapazitäten für die Betreuung von Asylwerbenden durch den Bund wäre zu erstellen.
Presseinformation: Asylbetreuungseinrichtungen des Bundes
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Bericht: Asylbetreuungseinrichtungen des Bundes
Der Rechnungshof überprüfte von September 2020 bis Februar 2021 die Asylbetreuungseinrichtungen des Bundes im Bundesministerium für Inneres. Die Gebarungsüberprüfung erfolgte gemäß Art. 126b Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz aufgrund eines Verlangens gemäß § 99 Abs. 2 Geschäftsordnungsgesetz 1975 der Abgeordneten Kickl, Zanger und weiterer Abgeordneter vom 27. Februar 2020 (291/A).