Beratungsleistungen: Ministerien sollen prüfen, ob Wissen vorhanden und Auftrag wirklich notwendig ist

25.09.2020 – Sozialministerium erteilte Auftrag mündlich

Der Rechnungshof kritisiert in seinem heute vorgelegten Bericht „Beauftragungen von Beratungsleistungen und Studien in ausgewählten Ressorts“, dass die Ministerien externe Beratung in Anspruch nahmen, obwohl interne Fachspezialistinnen und Fachspezialisten vorhanden waren. Er empfiehlt dem Sozialministerium, dem Arbeitsministerium und dem Außenministerium im Bereich der Kernaufgaben auf die Verfügbarkeit internen Know-hows zu achten und vor jeder Auftragserteilung den Bedarf an externen Leistungen zu prüfen. Den Prüferinnen und Prüfern fielen zudem missverständliche Betragsdarstellungen und Formulierungen in der Beantwortung parlamentarischer Anfragen auf. Der Rechnungshof empfiehlt: Das Sozialministerium und das Außenministerium sollten auf eine umfassende Information der Abgeordneten achten.

Positiv bewertet der Rechnungshof, dass das Sozialministerium und das Außenministerium Studienergebnisse auf ihren Websites veröffentlichten. Er begrüßt, dass bei einem geplanten Informationsfreiheitsgesetz offenbar eine ausdrückliche Verpflichtung zur Veröffentlichung von Studienergebnissen vorgesehen ist.

24 Vergaben und eine Förderung mit einem Vertragsvolumen von insgesamt 3.324.645 Euro wählte der Rechnungshof aus, 19 davon im Sozialministerium und sechs im Außenministerium. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2014 bis Mitte 2018, wobei der Fokus auf den Jahren 2017 bis Mitte 2018 lag.

630.000 Euro Auftragssumme für Effizienzstudie zur Sozialversicherung

Das Sozialministerium – im überprüften Zeitraum nicht für Gesundheit zuständig – erteilte der LSE Enterprise Ltd., London School of Economics and Political Science den Auftrag, eine Effizienzanalyse des österreichischen Sozialversicherungssystems zu erstellen. Die Beauftragung erfolgte ohne Ausschreibung. Vergleichsangebote holte das Sozialministerium nicht ein. Die LSE legte im Herbst 2016 ein Angebot: Die Auftragssumme umfasste maximal 630.000 Euro (exklusive Umsatzsteuer), davon maximal 30.000 Euro an Reiseaufwendungen. Ausbezahlt wurden schließlich 609.950 Euro (exklusive Umsatzsteuer). Der Rechnungshof merkt kritisch an, dass die Thematik im Bereich des damaligen Gesundheitsressorts lag und hält weiters fest, dass die Fachexpertinnen und Fachexperten des Sozialministeriums nur am Rande in die inhaltliche Konzeption des Auftrags eingebunden waren. Zudem bemängeln die Prüferinnen und Prüfer, dass das Sozialministerium für die Beauftragung der Studie keine Vergleichsangebote einholte. Sie empfehlen, auch bei Direktvergaben die Vorteile des Wettbewerbs zu nutzen und grundsätzlich drei Angebote einzuholen.

Die LSE legte im August 2017 die Studie – zu zwei Dritteln in englischer Sprache verfasst – vor. Der Rechnungshof hält kritisch fest, dass zur Zeit der Prüfung keine offizielle deutsche Gesamtfassung vorlag. Er empfiehlt dem Sozialministerium, bei Forschungsaufträgen, bei denen Deutsch nicht die Arbeitssprache ist, zu klären, wie und von wem das deutschsprachige Studienergebnis erstellt und qualitätsgesichert werden kann.

Sozialministerium erteilte Auftrag mündlich

Auch für strategische Kommunikationsberatung holte das Sozialministerium im überprüften Zeitraum keine Vergleichsangebote ein. So wurde ein Beratungsunternehmen fünf Tage nach Amtsantritt durch die damalige Bundesministerin Ende Dezember 2017 mündlich beauftragt. Die Tagsätze lagen zwischen 1.480 Euro und 2.400 Euro und damit im oberen Bereich der Bandbreite der vom Rechnungshof überprüften Beratungsleistungen. Die Erstbeauftragung verursachte Kosten in Höhe von 12.900 Euro (exklusive Umsatzsteuer). Der Rechnungshof kritisiert, dass die Beauftragung mündlich erfolgte und betont, dass nur eine schriftliche Auftragsvergabe Klarheit über den vereinbarten Leistungsinhalt schafft. Er empfiehlt dem Sozialministerium, Verträge aus Gründen der Nachvollziehbarkeit und Rechtssicherheit stets schriftlich abzuschließen.

Studie Evaluierung islamischer Kindergärten in Wien: Kommunikation zwischen Ministerium und Studienautor nachvollziehbar dokumentieren

Im Zusammenhang mit der Studie Evaluierung islamischer Kindergärten in Wien gewährte das Außenministerium zunächst eine Förderung. Das Projekt sollte einen detaillierten Überblick über islamische Kindergärten und Kindergruppen in Wien geben und als Orientierungshilfe für Entscheidungsträger im Bereich der Kindererziehung dienen. Als Projektlaufzeit vereinbarte das Außenministerium mit dem Fördernehmer, dem Institut für Islamische Studien der Universität Wien, den Zeitraum 1. Juni 2015 bis 1. Dezember 2015. In Summe wurden für die Studie 33.783 Euro (exklusive Umsatzsteuer) an Förderung ausbezahlt.

Anfang Juli 2017 tauchten Vorwürfe auf, Bedienstete des Außenministeriums hätten den Studienautor in mehreren Punkten inhaltlich beeinflusst. Daraufhin beauftragte die Universität Wien Mitte Juli 2017 die Kommission der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität. Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass dem Studienautor kein wissenschaftliches Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Der Rechnungshof stellt dazu Folgendes fest: Der Kommunikationsprozess zwischen Außenministerium und Studienautor sowie die textlichen Änderungen wurden nicht aktenmäßig dokumentiert. Er empfiehlt, alle Studienfassungen wie auch wesentliche inhaltliche und redaktionelle Änderungswünsche des Ressorts nachvollziehbar zu dokumentieren. Außerdem hält der Rechnungshof fest, dass im Vorfeld genauestens abzuwägen ist, ob solche Leistungen als Förderung oder öffentliche Vergabe vorzusehen sind.


Presseinformation: Beauftragungen von Beratungsleistungen und Studien in ausgewählten Ressorts

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88 Seiten

Bericht: Beauftragungen von Beratungsleistungen und Studien in ausgewählten Ressorts

Der Rechnungshof überprüfte von Mai bis Juli 2018 – mit ergänzenden Erhebungen bis Juli 2019 – im Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumen­tenschutz und im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres die Beauftragung von Beratungsleistungen und Studien. Ziel der Überprüfung war die Beurteilung, ob Bundesministerien eine zweckmäßige und wirtschaftliche Vorgehensweise hinsichtlich der Beauftragung verfolgten; Schwerpunkte waren die Frage der Übersicht über die beauftragten Leistungen, Bedarf und Nutzung sowie die Einhaltung der wesentlichen vergaberechtlichen Vorschriften.

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