COVID-19-Hilfen für Landwirtschaft und Privatzimmervermietungen: Nachweise von Verlusten waren nicht erforderlich
Förderungen ohne Angabe von Umsatzdaten, keine Nachweise von tatsächlichen Verlusten: Der Rechnungshof stellt in seinem heute veröffentlichten Bericht „COVID- 19-Förderungen durch die Agrarmarkt Austria“ eine Überförderung von mindestens 9,74 Millionen Euro fest. Bis Ende 2021 wurden 178,48 Millionen Euro für die Land- und Forstwirtschaft sowie für Privatzimmervermietungen ausbezahlt. Den COVID-19- Förderungen lagen zwei Richtlinien zugrunde: die Härtefallfonds-Richtlinie und die Sonderrichtlinie Verlustersatz. Die Fördermaßnahmen hatten erhebliche Schwächen: Sie wiesen teilweise gleiche Förderzeiträume und inhaltliche Überschneidungen auf. Es bestand Potenzial für Mehrfachförderungen. Der Grund: Mehrere Förderungen konnten zugleich in Anspruch genommen werden. Der Rechnungshof kritisiert, dass das Landwirtschaftsministerium und das Finanzministerium dies zuließen, obwohl bereits bei der Erstellung der Härtefallfonds-Richtlinie das Potenzial für Überförderung erkennbar war. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2020 und 2021.
Das Landwirtschaftsministerium erarbeitete federführend zwei Richtlinien, um die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie für die Land- und Forstwirtschaft sowie die Privatzimmervermietungen abzufedern: Die Härtefallfonds-Richtlinie und die Sonderrichtlinie Verlustersatz. Ziel der Zahlungen zwischen März 2020 und Dezember 2021 war, die Zahlungsfähigkeit zu erhalten und die Liquidität der Betriebe in der COVID-19-Pandemie zu sichern. Die AMA wickelte die Anträge und Auszahlungen ab.
Überförderung bei Härtefallfonds-Richtlinie
Die Härtefallfonds-Richtlinie sah neben der Soforthilfe weitere Förderungen vor. Bis Ende 2021 wurden 135,61 Millionen Euro für land- und forstwirtschaftliche Betriebe sowie für Privatzimmervermietungen ausbezahlt. Die einzelnen Förderinstrumente waren so gestaltet, dass bei niedrigen Umsatzausfällen und geringen Umsätzen ein Potenzial von Überförderung bestand. So zeigte sich beispielsweise beim Förderinstrument „Abgeltung der Einkunftsverluste“ inklusive Comeback-Bonus, Zusatzbonus und Lockdown-Umsatzersatz, dass vielfach der zuerkannte Förderbetrag höher war als der in den Anträgen in Selbsterklärung angegebene Umsatzausfall. Der Rechnungshof stellt hier eine Überförderung von mindestens 9,74 Millionen Euro fest:
- 1.066 land- und forstwirtschaftliche Betriebe und 917 Privatzimmervermietungen erhielten im Rahmen des Förderinstruments „Abgeltung der Einkunftsverluste“ um insgesamt 5,20 Millionen mehr ausbezahlt, als die angegebenen Umsatzausfälle ausmachten. So reichte beispielsweise ein Umsatzausfall von 50 Cent, um eine „Abgeltung der Einkunftsverluste“ von 1.100 Euro pro Antrag zu erhalten.
- Auch beim Lockdown-Umsatzersatz war bei 1.385 land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und 2.303 Privatzimmervermietungen das Fördervolumen um insgesamt 4,54 Millionen Euro höher als die angegebenen Umsätze. Im Bereich Privatzimmervermietungen überstieg das Fördervolumen die angegebenen Umsätze. 4,50 Millionen Euro wurden bewilligt, obwohl die Anträge keine Angaben zu Umsatzdaten enthielten. Das zeigt eine Auswertung des Rechnungshofes.
Im Zeitraum November und Dezember 2020 konnten die Betriebe sowohl die Förderung „Abgeltung der Einkunftsverluste“ als auch den Lockdown-Umsatzersatz und den Ausfallsbonus in Anspruch nehmen. Der Rechnungshof hält kritisch fest, dass die Härtefallfonds-Richtlinie keine Vorkehrungen enthielt, um Überförderungen zu vermeiden. Er empfiehlt, bei der künftigen Konzeption von Hilfsmaßnahmen die Förderkriterien so festzulegen, dass eine Überkompensation ausgeschlossen wird. Es wäre zudem von einer Förderpraxis Abstand zu nehmen, die es ermöglicht, dass Förderungen ohne grundlegende Daten zu den Fördervoraussetzungen gewährt werden.
Lange Antragsfristen wären zu vermeiden
Insgesamt gab es neun Versionen der Härtefallfonds-Richtlinie. Die Förderungen umfassten den Zeitraum von rund 18 Monaten. Angesichts der nicht vorhersehbaren pandemischen Entwicklung und der Dringlichkeit von finanziellen Hilfen ist für den Rechnungshof nachvollziehbar, dass die Härtefallfonds-Richtlinie geändert wurde und nachträglich weitere Hilfsmaßnahmen erfolgten. Er beurteilte jedoch kritisch, dass für zeitlich gleich gelagerte Sachverhalte je nach Datum der Antragstellung und Richtlinienversion teilweise unterschiedliche Förderkriterien anwendbar waren. Zudem konnten Förderungen in voller Höhe für einen Zeitraum beantragt werden, der bereits mehr als ein Jahr zurücklag. Bei Förderprogrammen, die rasch wirken sollen, wären lange Antragsfristen und rückwirkende Richtlinienänderungen zu vermeiden, empfiehlt der Rechnungshof.
Verlustersatz ohne Nachweise von Umsatzausfall
Die Sonderrichtlinie Verlustersatz war ein nachträgliches Förderinstrument für landwirtschaftliche Betriebe, die indirekt von der Pandemie betroffen waren – etwa aufgrund der geschlossenen Gastronomie und Hotellerie. Insgesamt wurden 42,87 Millionen Euro Förderungen für die landwirtschaftlichen Betriebszweige Schweinehaltung, Kartoffeln, Legehennen und Wein ausbezahlt. Die Betriebe konnten aufgrund des pauschalen Fördermodells einen Antrag auf Verlustersatz stellen, ohne einen Umsatzausfall nachweisen zu müssen. Auch bei diesem Fördermodell war daher nicht ausgeschlossen, dass landwirtschaftliche Betriebe einen Verlustersatz erhielten, obwohl sie tatsächlich keinen Umsatzausfall erlitten hatten.
Kritik an Mehrfachförderungen
Die Förderinstrumente der beiden Richtlinien Härtefallfonds und Verlustersatz waren zum Teil kumulierbar, was Potenzial für Mehrfachförderungen eröffnete. Für den Zeitraum Oktober 2020 bis März 2021 konnte zum Beispiel ein Weinbaubetrieb, der seine Produkte direkt an die Gastronomie vermarktete und einen Umsatzausfall verzeichnete, eine Förderung auf Basis der Härtefallfonds-Richtlinie erhalten. Zusätzlich konnte er bei einem Rückgang des Jahresweinabsatzes eine Förderung auf Basis der Sonderrichtlinie Verlustersatz in Anspruch nehmen. Insgesamt erhielten 155 Betriebe Förderungen sowohl aus der Sonderrichtlinie Verlustersatz als auch aus der Härtefallfonds-Richtlinie für den Tätigkeitsbereich Direktvermarktung.
Presseinformation: COVID-19-Förderungen durch die Agrarmarkt Austria
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- 116 Seiten
Bericht: COVID-19-Förderungen durch die Agrarmarkt Austria
Der Rechnungshof überprüfte von September bis Dezember 2021 die von der Agrarmarkt Austria (AMA) abgewickelten COVID-19-Förderungen für die Land- und Forstwirtschaft und für Privatzimmervermietungen. Prüfungsziele waren insbesondere die Beurteilung der rechtlichen Rahmenbedingungen und der inhaltlichen Gestaltung der COVID-19-Förderungen für die Land- und Forstwirtschaft und die Privatzimmervermietungen, der Förderabwicklung durch die AMA sowie der Finanzierung der Förderungen. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2020 und 2021.