Rechnungshof-Präsidentin Kraker zum Bundesrechnungsabschluss 2023: „Für die nächste Generation auf kurzfristige budgetbelastende Maßnahmen verzichten“

27. Juni 2024 – Finanzschulden und Zinsaufwand für Finanzschulden stiegen deutlich an

Der Bundeshaushalt des Jahres 2023 war bereits das vierte Jahr in Folge durch Hilfsmaßnahmen zur Abfederung der Auswirkungen diverser Krisen geprägt. Sowohl der Ergebnis- als auch der Finanzierungshaushalt verzeichneten weiterhin hohe Defizite. Der Ergebnishaushalt, der die Erträge und Aufwendungen gegenüberstellt, verzeichnete mit minus 10,717 Milliarden Euro erneut ein hohes negatives Nettoergebnis. Der Finanzierungshaushalt, der die Ein- und Auszahlungen darstellt, wies einen Abgang von 8,014 Milliarden Euro auf. Das geht aus dem Bundesrechnungsabschluss 2023 hervor, den der Rechnungshof heute veröffentlichte.

„Der Rechnungsabschluss 2023 stellt die finanzielle Lage des Bundes und auch des Gesamtstaates dar. Der Schuldenstand des Bundes betrug 283,252 Milliarden Euro und war damit um 12,362 Milliarden Euro höher als im Vorjahr“, sagte Margit Kraker, Präsidentin des Rechnungshofes. Der Anstieg der Finanzschulden war hauptsächlich auf die Finanzierung der Entlastungsmaßnahmen infolge der Teuerung sowie steigende Zinsverpflichtungen zurückzuführen. „Zur Einhaltung der europäischen Fiskalregeln ist es notwendig, Maßnahmen zur Reduzierung der Schulden zu setzen. Die langfristige Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen darf nicht zugunsten kurzfristiger budgetbelastender Maßnahmen gefährdet werden. Das ist eine große Verantwortung für die Zukunft, denn auch die nächste Generation braucht einen finanziellen Spielraum“, so Kraker. „Nach Jahren krisenbedingt hoher – insbesondere auszahlungsseitiger – Unterstützungsmaßnahmen muss in den kommenden Jahren die Einnahmen- und Ausgabenentwicklung in ein Gleichgewicht gebracht werden. Für die neue Regierungsperiode muss ich daher an den Stellenwert einer nachhaltigen Budgetpolitik erinnern,“ sagte die Rechnungshof-Präsidentin zum Bundesrechnungsabschluss 2023.

Das Jahr 2023 war geprägt von einem neuerlichen konjunkturellen Einbruch, anhaltend hoher Inflation und dem stark gestiegenen Zinsniveau: Die heimische Wirtschaft schrumpfte 2023 real um 0,8 Prozent. Die Inflation war mit 7,8 Prozent geringer als im Vorjahr, aber immer noch fast viermal so hoch wie der Zielwert der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2,0 Prozent.

Entlastungsmaßnahmen nur setzen, wenn unbedingt notwendig

Die Bevölkerung wurde auch 2023 von der Teuerung entlastet, insbesondere in Form von Zuschüssen zur Abfederung der gestiegenen Energiekosten. Die Auszahlungen betrugen 4,122 Milliarden Euro. Zielgruppe waren hauptsächlich Haushalte. Sie erhielten Unterstützungsleistungen von insgesamt 3,090 Milliarden Euro.

Das Finanzministerium schätzte die Kosten für die Entlastungsmaßnahmen auf 31,165 Milliarden Euro für die Jahre 2023 bis 2026. Vor dem Hintergrund der bestehenden Budgetbelastung durch die zahlreichen Krisenmaßnahmen der letzten Jahre mahnt der Rechnungshof ein, Entlastungsmaßnahmen – gerade in Vorwahlzeiten – nur bei tatsächlichem Bedarf und unbedingter Notwendigkeit zu setzen.

2023 stiegen Finanzschulden und der Zinsaufwand für Finanzschulden deutlich an

Die bereinigten Finanzschulden nahmen um 12,362 Milliarden Euro auf 283,252 Milliarden Euro zu. Sie betrugen damit 59,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Der Anteil der Schulden, die zur Abdeckung der Defizite aufgrund der Krisenmaßnahmen aufgenommen wurden, ging 2023 erstmals seit 2020 wieder deutlich zurück. Das Volumen der Schuldaufnahmen zur Tilgung blieb aber weiterhin hoch. 2023 wurden insgesamt 67,417 Milliarden Euro an Schulden neu aufgenommen. Seit Ende 2019, vor Beginn der diversen Krisen, stiegen die Finanzschulden um 74,485 Milliarden Euro beziehungsweise um 35,7 Prozent an.

Auch der Zinsaufwand für die Finanzschulden stieg an, bedingt durch den Anstieg der Effektivverzinsung der Neuaufnahmen: 2023 betrug er 4,116 Milliarden Euro. Durch den Anstieg der Finanzschulden und des Zinsniveaus erhöhten sich die gesamten Zinsverpflichtungen des Bundes im Jahr 2023 um 5,683 Milliarden Euro auf 58,785 Milliarden Euro.

Für die zu tilgenden Kreditoperationen müssen neue Finanzschulden aufgenommen werden, aus denen sich zusätzliche Zinsverpflichtungen ergeben. Dementsprechend besteht ein hohes Risiko für zukünftige Budgets, weil das Zinsniveau, das sich Ende 2021 auf einem historischen Tiefstand befand, krisenbedingt deutlich anstieg: Als Reaktion auf den starken Anstieg der Verbraucherpreise hob die EZB in den Jahren 2022 und 2023 die Leitzinsen schrittweise von 0 Prozent auf 4,5 Prozent an. Mit Blick auf die Verschuldung weist der Rechnungshof vor diesem Hintergrund auf die Wichtigkeit einer nachhaltigen Budgetpolitik hin.

Der Anstieg der Leitzinsen hat unmittelbare Auswirkungen auf die Renditen von Finanzschuldemissionen. Die durchschnittliche Effektivverzinsung der Finanzschulden, die im Jahr 2023 neu aufgenommen wurden, lag bei 3,3 Prozent; im Jahr 2021 lag sie noch bei minus 0,3 Prozent.

Spielraum für Reformen eingeschränkt

Prognosen gehen davon aus, dass der öffentliche Schuldenstand gemessen an der Wirtschaftsleistung in den kommenden Jahren nahezu gleichbleiben wird. Die Schuldenquote im Jahr 2023 betrug 77,8 Prozent des BIP. Für das Jahr 2027 prognostizierte das Finanzministerium eine Schuldenquote von 77,4 Prozent des BIP. Sie liegt damit weiterhin deutlich über dem Maastricht-Ziel von 60 Prozent des BIP. Zugleich wird der Anteil der Zinsausgaben des Staates am BIP stetig steigen, von 1,2 Prozent des BIP im Jahr 2023 auf 1,8 Prozent im Jahr 2027. Neben den Zinsausgaben werden die Ausgaben für Pensionen, Gesundheit und Pflege weiter steigen. Die mittelfristigen Konjunkturaussichten sind aufgrund der geo- und klimapolitischen Rahmenbedingungen nach wie vor mit Unsicherheit behaftet. Gleichzeitig sind seit 2024 die reformierten EU-Fiskalregeln wieder in Kraft. Das reduziert den Spielraum für notwendige Reformen in den Bereichen Gesundheit und Pflege sowie für die erforderlichen Klimaschutzmaßnahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen weiter. Gerade diese wären aus Sicht des Rechnungshofes wesentlich für die Erreichung der diesbezüglichen europäischen Zielvorgaben.

Nettoergebnis erneut negativ

Der Bundeshaushalt verzeichnete mit minus 10,717 Milliarden Euro erneut ein hohes negatives Nettoergebnis. Obwohl um 2,027 Milliarden Euro besser als im Jahr davor, war das Nettoergebnis weit entfernt vom Vorkrisenniveau. 2019 war noch ein Überschuss von 819,08 Millionen Euro erzielt worden.

Die hohe Inflation wirkte sich auf die Steuereinnahmen aus, was zum Anstieg der Erträge führte, nämlich einem Plus von 4,984 Milliarden Euro auf 98,704 Milliarden Euro. Stark angestiegen waren außerdem die Finanzerträge aufgrund des gestiegenen Zinsniveaus und hoher Gewinnausschüttungen der Beteiligungsunternehmen.

Die Aufwendungen waren um 2,957 Milliarden Euro höher als im Vorjahr. Den größten Anstieg verzeichnete der Finanzaufwand, aufgrund des stark gestiegenen Zinsniveaus und der hohen Aufwendungen aus der Bewertung von Beteiligungen. Höhere Transferleistungen wurden bei den Bundesbeiträgen für die Sozial- und Pensionsversicherungsträger und für die neu eingeführten Zuschüsse wie Wohn- und Heizkostenzuschüsse verzeichnet.

Das Vermögen des Bundes betrug 125,970 Milliarden Euro und war damit um 4,116 Milliarden Euro höher als im Vorjahr. Der Anstieg war unter anderem auf die höheren liquiden Mittel sowie auf Investitionen im militärischen Bereich zurückzuführen.

Datenqualität in der Haushaltsverrechnung des Bundes

Der Rechnungshof stellte bei seinen Prüfungen im Zusammenhang mit dem Bundesrechnungsabschluss 2023 wiederholt fest, dass sich die Qualität der Daten in der Qualität der Buchhaltung des Bundes widerspiegelte. Im Zuge von Organisationsänderungen in den Ministerien kam es beispielsweise zu automatischen Buchungen auf Detailbudgets, die bereits geschlossen waren. Bei der Übernahme von Daten aus Altsystemen entstand eine Vielzahl an offenen ungeklärten Salden; in den Ministerien fehlten geeignete Prozesse zur Überwachung und Bereinigung dieser offenen Salden. Für Daten, die über Schnittstellen ins Haushaltsverrechnungssystem des Bundes übertragen wurden, fehlte ein automatischer Abgleich der übertragenen Salden. Teilweise konnten Salden aus Vorsystemen nicht mit dem Haushaltsverrechnungssystem abgestimmt werden. Der Rechnungshof empfiehlt in diesem Zusammenhang, die für die Sicherstellung der Datenqualität notwendigen Prozesse zu veranlassen und laufend zu überwachen.

Presseinformation zum Bundesrechnungsabschluss 2023

In einer interaktiven Grafik, die unter rechnungshof.gv.at/bra2023 verfügbar ist, bietet der Rechnungshof eine Übersicht zu Vermögen und Fremdmitteln des Bundes.

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