Aufsichts- und Kontrolldefizite bei Europäischer Investitionsbank

19. Juni 2024 – Österreichs Kapitalanteil an der EIB liegt bei 6,429 Milliarden Euro

Länderflaggen vor dem Gebäude der Europäischen Investitionsbank - Copyright: Foto: iStock@chris-mueller

In seinem heute veröffentlichten Bericht „Europäische Investitionsbank (EIB): Funktion und Aufgabenwahrnehmung des Bundesministeriums für Finanzen“ pocht der Rechnungshof auf die uneingeschränkte öffentliche Finanzkontrolle der EIB. Die EIB befindet sich im öffentlichen Eigentum; Anteilseigner sind die 27 EU-Mitgliedstaaten. Derzeit kann der Europäische Rechnungshof die EIB nur eingeschränkt prüfen. Den nationalen Rechnungshöfen der EU-Mitgliedstaaten fehlt die rechtliche Möglichkeit, die EIB zu prüfen, gänzlich, obwohl die EU-Mitgliedstaaten die Bank mit einem gezeichneten Kapital von insgesamt 248,796 Milliarden Euro ausgestattet hatten. Die Prüflücke verschärft sich, weil die EIB keiner umfassenden Bankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank oder durch nationale Aufsichtsbehörden unterliegt. Der Rechnungshof hat die Aufgabenwahrnehmung des Finanzministeriums im Zusammenhang mit der EIB für den Zeitraum 2018 bis 2022 geprüft. Auch der deutsche Bundesrechnungshof hat eine vergleichbare Prüfung der deutschen Bundesregierung durchgeführt.

Der von beiden Rechnungshöfen gemeinsam erstellte Synthesebericht „Europäische Investitionsbank – Aufsichts- und Kontrollrahmen stärken“ wurde heute ebenfalls veröffentlicht. (Siehe auch Erklär-Video) „Unsere Handlungsempfehlungen richten wir primär an die deutsche und die österreichische Bundesregierung. Aber: Alle Anteilseigner der EIB sollten sich angesprochen fühlen und die hier aufgezeigten Herausforderungen angehen, im Interesse ihrer jeweiligen nationalen Haushalte sowie der Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union“, schreiben Margit Kraker, Präsidentin des Rechnungshofes und Kay Scheller, Präsident des deutschen Bundesrechnungshofes im Vorwort.

Österreichs Kapitalanteil an der EIB liegt bei 6,429 Milliarden Euro

Die EIB steht im Eigentum der 27 Mitgliedstaaten der EU. Gegründet im Jahr 1958, ist sie heute die größte multilaterale Finanzierungsinstitution der Welt. Ihr Ziel: Zu einer ausgewogenen und reibungslosen Entwicklung des Binnenmarkts im Interesse der Union durch die Gewährung von Darlehen und Bürgschaften beizutragen. So sollen etwa weniger entwickelte Gebiete erschlossen werden. Seit ihrer Gründung gewährte die EIB Finanzierungen in der Höhe von 1.500 Milliarden Euro. Die Republik Österreich als Miteigentümer zahlte Kapital in Höhe von 573,42 Millionen Euro ein und haftete auch mit weiteren 5,856 Milliarden Euro Rufkapital für Verbindlichkeiten der Bank. Der Kapitalanteil Österreichs an der EIB liegt somit bei insgesamt 6,429 Milliarden Euro.

Uneingeschränkte öffentliche Finanzkontrolle der EIB sicherstellen

Während das Volumen der Projektfinanzierungen der EIB im Jahr 2000 noch bei 35,487 Milliarden Euro lag, verdoppelte es sich bis zum Jahr 2010 auf 71,893 Milliarden Euro. 2015 erreichten die Projektfinanzierungen einen Gesamtwert von 78,051 Milliarden Euro. Erst ab dem Jahr 2018 sanken sie. Die EIB beschafft die für die Projekte benötigten finanziellen Mittel vorwiegend über die Ausgabe von Anleihen auf den Kapitalmärkten. Diese Refinanzierungen werden entscheidend durch ihre Anteilseigner erleichtert. Die Haftung der EU-Mitgliedstaaten ist unter anderem ein wesentlicher Grund für die sehr positive Beurteilung (AAA-Rating) der EIB durch internationale Rating-Agenturen.

Trotz ihrer Größe und Bedeutung unterliegt die EIB keiner umfassenden Bankenaufsicht und auch die öffentliche Finanzkontrolle durch den Europäischen Rechnungshof ist nur eingeschränkt möglich. Auf europäischer Ebene haben zwar mehrere Akteure Kontroll- beziehungsweise Prüfrechte; diese beschränken sich jedoch auf einzelne Aspekte wie etwa strafrechtlich relevante Sachverhalte, Rechnungsführung oder bestimmte Projektfinanzierungen. Eine uneingeschränkte öffentliche Finanzkontrolle aller Tätigkeiten der EIB, wie sie bei anderen Banken oder anderen Unternehmen im öffentlichen Eigentum üblich ist, ist bei der EIB nicht gegeben. Aufgrund der Rechtslage können auch die nationalen Rechnungshöfe der EU-Mitgliedstaaten nicht prüfen. Der Rechnungshof empfiehlt daher dem Finanzministerium, aufgrund der Bedeutung der EIB für die Verwirklichung der Ziele der EU, ihrer beträchtlichen Ausstattung mit Kapital und Haftungen durch die Mitgliedstaaten der EU und wegen der damit für alle Mitgliedstaaten verbundenen Risiken, darauf hinzuwirken, dass die Prüfkompetenz der nationalen Rechnungshöfe der Mitgliedstaaten der EU auf die Geschäftstätigkeit der EIB ausgeweitet wird. Das Ziel ist, eine uneingeschränkte öffentliche Finanzkontrolle der EIB sicherzustellen.

Europäische Zentralbank soll EIB beaufsichtigen

Im Gegensatz zu den in der EU ansässigen Banken beziehungsweise Kreditinstituten unterliegt die EIB keiner umfassenden Bankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank (EZB) oder durch nationale Aufsichtsbehörden. Dabei liegt die Bilanzsumme der EIB mit 544,588 Milliarden Euro (Ende 2022) deutlich über jener der von der Finanzmarktaufsichtsbehörde beaufsichtigten österreichischen Kreditinstitute. Sie übersteigt außerdem die Bilanzsumme der sechs in Österreich niedergelassenen Kreditinstitutsgruppen, die die EZB aufgrund ihrer Größe beziehungsweise Bedeutung im Jahr 2023 direkt beaufsichtigte. Der Rechnungshof empfiehlt dem Finanzministerium, darauf hinzuwirken, sich auf eine freiwillige und umfassende Beaufsichtigung der EIB durch die EZB zu verständigen und sich mit der EZB entsprechend zu einigen.  

Entscheidungs- und Kontrollorgane

Die EIB wird von drei Entscheidungsorganen verwaltet und geleitet: dem Rat der Gouverneure, dem Verwaltungsrat und dem Direktorium. Der Rat der Gouverneure ist das oberste Leitungsorgan – darin ist jeweils eine Ministerin/ein Minister der Mitgliedstaaten vertreten. Der Prüfungsausschuss ist ein eigenes Kontrollorgan der Bank. Es gibt keine Hinweise in den Jahresberichten des Prüfungsausschusses, dass dieser die widmungsgemäße Verwendung der Mittel der EIB auch auf Ebene einzelner Projektfinanzierungen überprüfte und sicherstellte. Die Satzung der EIB enthielt zudem keine Bestimmung zur Unabhängigkeit des Prüfungsausschusses. Nicht festgelegt war etwa, ob der Prüfungsausschuss Weisungen des Rates der Gouverneure zu befolgen hat. Der Rechnungshof empfiehlt, die Unabhängigkeit des Prüfungsausschusses und seiner Mitglieder zu stärken und konkret zu regeln. Bei seiner Zusammensetzung wären jedenfalls Vertreterinnen beziehungsweise Vertreter der Rechnungshöfe der EU-Mitgliedstaaten zu berücksichtigen, um so die bestehende Lücke bei der öffentlichen Finanzkontrolle der EIB zu verringern.

Risikoreichere Geschäfte nahmen zu

Geschäfte mit einer erwarteten Ausfallsquote von mindestens zwei Prozent sieht die EIB als „risikoreichere Geschäfte“. Risikoreichere Geschäfte auf eigenes Risiko der EIB haben sich ausgeweitet:  So lag ihr Volumen im Jahr 2018 bei rund 1,8 Milliarden Euro, im Jahr 2022 waren die risikoreicheren Geschäfte auf eigenes Risiko mit 8,4 Milliarden Euro mehr als viermal so hoch. Weitere Steigerungen sind zumindest bis 2025 geplant. Die Erhöhung des eigenen Risikos der EIB wirkt sich auch auf das Risiko ihrer Anteilseigner, also etwa der Republik Österreich, aus. Die Anteilseigner haften jeweils mit ihrem gezeichneten Kapitalanteil an der EIB für deren Verbindlichkeiten.

Presseinformation: Europäische Investitionsbank (EIB): Funktion und Aufgabenwahrnehmung des Bundesministeriums für Finanzen

Erklärvideo: Europäische Investitionsbank - Aufsichts- und Kontrollrahmen stärken


pdf Datei: 
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Umfang: 
122 Seiten

Bericht: Europäische Investitionsbank (EIB): Funktion und Aufgabenwahrnehmung des Bundesministeriums für Finanzen

Der Rechnungshof überprüfte im Jahr 2023 das Bundesministerium für Finanzen in seiner Funktion und bei seiner Aufgabenwahrnehmung im Zusammenhang mit der Europäischen Investitionsbank (EIB). Prüfungsziel war es, die Organisation, die Tätigkeit und die Entwicklung der EIB darzustellen sowie die Rolle des Bundesministeriums für Finanzen bei Entscheidungen der EIB und beim Management der für die Republik Österreich mit der EIB verbundenen Risiken zu beurteilen. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2018 bis 2022, wobei auch relevante Entwicklungen der Vorjahre und des Jahres 2023 berücksichtigt wurden.

Zeitgleich zur Gebarungsüberprüfung des RH führte der deutsche Bundesrechnungshof eine vergleichbare Prüfung der deutschen Bundesregierung zu ihrer Aufgabenwahrnehmung im Zusammenhang mit der EIB durch. Als Ergebnis der parallelen Prüfung des Bundesrechnungshofes und des RH erstellten die beiden Rechnungshöfe einen gemeinsamen Synthesebericht mit dem Titel „Europäische Investitionsbank – Aufsichts- und Kontrollrahmen stärken“

Bericht: Europäische Investitionsbank (EIB): Funktion und Aufgabenwahrnehmung des Bundesministeriums für Finanzen Herunterladen


Synthesebericht: Europäische Investitionsbank – Aufsichts- und Kontrollrahmen stärken

Bericht des deutschen Bundesrechnungshofes