Rechnungshof veröffentlichte Bericht "Projekt Koralmbahn"

04. April 2025 - ÖBB-Infrastruktur Aktiengesellschaft nahm Projektcontrolling grundsätzlich aktiv wahr

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Mit Fertigstellung der Koralmbahn soll sich die Fahrzeit zwischen Graz und Klagenfurt am Wörthersee von rund drei Stunden auf 45 Minuten reduzieren. In seinem heute veröffentlichten Bericht "Projekt Koralmbahn" stellt der Rechnungshof fest: Die ÖBB-Infrastruktur Aktiengesellschaft (AG) nahm das Projektcontrolling bei diesem Infrastrukturprojekt grundsätzlich aktiv wahr, indem sie die Kostensteigerung relativ gering hielt und auf Änderungen der Rahmenbedingungen reagierte. Dennoch zeigten sich bei manchen Baulosen in der Abwicklung Mängel und Verbesserungspotenzial. Die Beurteilung der Termin- und Kostenentwicklung sowie der Wahrnehmung der Bauherrenfunktion waren unter anderem Themen der Prüfung. Der überprüfte Zeitraum umfasst im Wesentlichen die Jahre 2012 bis 2023.

Kostensteigerung und Zeitverlust bei Tunnelvortrieb

Die ÖBB-Infrastruktur AG prognostizierte die Gesamtkosten des Projekts Koralmbahn mit 6,139 Milliarden Euro (Stand Ende 2023). Die Kostensteigerung gegenüber 2012 hielt sie – unter Berücksichtigung der späteren Einbindung des Baus des Flughafenastes – mit fünf Prozent (282,4 Millionen Euro) relativ gering. Unter anderem durch Erfolge bei Auftragsvergaben gelang es, Einsparungen zu erreichen.

Die Teuerungsrate, Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sowie technische und rechtliche Weiterentwicklungen trugen hingegen zur Steigerung der Kosten bei. Und: Schwierigkeiten beim Vortrieb des Koralmtunnels führten dazu, dass die Kosten des vom Rechnungshof geprüften Rohbau-Bauloses Koralmtunnel KAT 2 um 297,75 Millionen Euro stiegen und sich die Bauzeit um rund 31 Monate verlängerte.

Dabei führten die geologischen Rahmenbedingungen zu zahlreichen Problemen, etwa zu vermehrten Stillständen, einer verringerten Vortriebsgeschwindigkeit und einem erhöhten Maschinenverschleiß. Die Folge waren hohe Mehrkostenforde­rungen – um mehr als ein Drittel der ursprünglichen Auftragssumme. Für den Tunnelvortrieb wurde eine sogenannte Doppelschildmaschine genutzt; dies erachtet der Rechnungshof als nachvollziehbar und plausibel. Das dafür vom Auftragnehmer gelieferte Schild war jedoch länger als vertraglich definiert. Der Rechnungshof vermisste eine vertragliche Absicherung und entsprechende Überwälzung von Risiken der gelieferten Tunnelvortriebsmaschine in die Sphäre des Auftragnehmers.

Außerdem zeigte die Prüfung des Rechnungshofes: Die ÖBB-Infrastruktur AG vergütete Stillstände beim Tunnelvortrieb abweichend vom Vertrag; bei vertraglicher Abrechnung wären Einsparungen von 7,52 Millionen Euro bis 9,23  Millionen Euro möglich gewesen.

Interessen der ÖBB-Infrastruktur AG

Insgesamt empfiehlt der Rechnungshof, bereits im Zuge der Prüfung von Angeboten das sogenannte Anti-Claimmanagement (Abwehr unberechtigter Vergütungsansprüche der Auftragnehmer) zur Wahrung der Interessen der ÖBB-Infrastruktur AG konsequent umzusetzen. Dazu zählen etwa die Sicherstellung der Qualität der Ausschreibungsunterlagen, der Kostenschätzung und der Aufklärungen sowie eine Analyse des Claim-Potenzials im Zuge der Angebotsprüfung.

Rolle als kompetenter Bauherr langfristig absichern

Die ÖBB-Infrastruktur AG passte die Projektorganisation für die Abwicklung des Projekts Koralmbahn laufend an die Erfordernisse der jeweiligen Projektphase an. Aber: Sie nahm lediglich das übergeordnete Projektmanagement mit eigenem Personal wahr. Für wesentliche Leistungen der Projektabwicklung – Baumanagement, Örtliche Bauaufsicht – beauftragte sie externe Konsulenten. Das birgt jedoch das Risiko eines Know-how-Verlustes, insbesondere für die Abwicklung von großen Bauvorhaben und der Abhängigkeit von externer Expertise. Der Rechnungshof sieht in der häufigen Beauftragung externer Sachverständiger für die Beurteilung strittiger Themen einen Beleg für fehlendes internes Know-how.

Er empfiehlt daher, zu prüfen, inwieweit die ÖBB-Infrastruktur AG wesentliche Aufgaben in der Abwicklung von Bauprojekten vermehrt selbst wahrnehmen kann. Das Ziel: das eigene Know-how zu stärken und die Rolle als kompetenter Bauherr langfristig abzusichern sowie Kosten für externe Konsulenten und Sachverständige und die Abhängigkeit von ihnen zu reduzieren.

Termineinhaltung: Rechnungshof identifizierte im Zuge seiner Prüfung erhebliche Risiken

Zu Beginn des Jahres 2025 teilte die ÖBB mit, dass die "Koralmbahn und damit auch der Koralmtunnel" im Dezember 2025 in Betrieb gehen. Im Zuge ihrer Prüfung und im heute veröffentlichten Bericht wiesen die Prüferinnen und Prüfer des Rechnungshofes auf "erhebliche Risiken" hin, die Ende Jänner 2024 noch in Hinblick auf die Einhaltung des Termins Dezember 2025 zur Gesamtinbetriebsetzung bestanden: Dazu zählten etwa Lieferengpässe, der ihrer Ansicht nach knappe Zeitrahmen für die Betriebsbewilligung 2025 sowie allfällige Auflagen aus dem Rechtsmittelverfahren zum angefochtenen Bescheid „Betriebsaufnahme 2023“ auf der "Kärntner Seite".

Insgesamt hält der Rechnungshof kritisch fest, dass es der ÖBB-Infrastruktur AG nicht gelang, das laut Koralmbahn-Vertrag 2004 geplante Terminziel "Fertigstellung im Jahr 2018" einzuhalten. Auch das fortgeschriebene Terminziel "Gesamtinbetriebsetzung Koralmbahn mit 2023" laut Rahmenplan 2012–2017 konnte sie nicht einhalten. Die zweijährige Terminüberschreitung bis 2025 resultiert vor allem aus dem zusätzlichen Zeitbedarf bei Tunnelvortriebsarbeiten.

Die Koralmbahn ist Teil des Baltisch-Adriatischen Korridors und damit des Kernnetzes des Transeuropäischen Verkehrsnetzes. Auf der zweigleisigen, elektrifizierten Hochleistungsstrecke mit einer Gesamtlänge von rund 125 Kilometern werden zwölf Tunnel und 23 neue oder modernisierte Bahnhöfe realisiert. 1998 begann der Bau der ersten Abschnitte Graz Hauptbahnhof – Bahnhof Werndorf. Die Umsetzung des Flughafenastes war Teil des Vollausbaus der Koralmbahn. Durch vorgezogene Baumaßnahmen wäre die spätere Errichtung des Fernverkehrsbahnhofs Flughafen-Graz direkt am Flughafenast technisch gewährleistet. Das Verkehrministerium und die ÖBB-Infrastruktur AG priorisierten den Fernverkehrsbahnhof Flughafen-Graz vorerst nicht und berücksichtigten den Bahnhof nicht im Rahmenplan.

Presseinformation: Projekt Koralmbahn

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Umfang: 
124 Seiten

Bericht: Projekt Koralmbahn

Der Rechnungshof überprüfte bei der ÖBB-Infrastruktur AG und beim Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie die Errichtung der Koralmbahn. Prüfungsziel war insbesondere die Beurteilung der Termin- und Kostenentwicklung sowohl für das Gesamtprojekt als auch für das Rohbau-Baulos KAT 2 und das Ausrüstungs-Baulos GU 1 des Koralmtunnels sowie für den „Flughafenast“, der Wahrnehmung der Bauherrnfunktion sowie der Entscheidungsfindung und des Ausbaugrades zum Bau des Flughafenastes. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2012 bis 2023.

Die Überprüfung legte einen besonderen Fokus auf die Errichtung der Koralmbahn samt Tunneln, Brücken und Bahnhöfen mit dem Ziel, eine „hochwertige, verlässliche, nachhaltige und widerstandsfähige Verkehrsinfrastruktur“ zu bauen (Nachhaltige Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, Unterziel 9.1).

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